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Sachverständigengutachten lässt auf sich warten: Keine Vergütung

LSG Baden-Württemberg
Ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten, das mehr als sechs Mo­na­te nach der zu­grun­de­lie­gen­den Un­ter­su­chung er­stellt wird, ist un­ver­wert­bar und muss auch nicht ver­gü­tet wer­den. Das hat das LSG Baden-Würt­tem­berg ent­schie­den. Zi­vil­recht­li­che Re­ge­lun­gen seien nicht an­wend­bar.

Zu medizinischen – und auch sonstigen – Fachfragen im Prozess lassen Gerichte regelmäßig Gutachten von Sachverständigen erstellen. Diese werden nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) vergütet. Allerdings kann die Vergütung entfallen, wenn das Gutachten objektiv feststellbare Mängel aufweist und deshalb unverwertbar ist.

Ein solcher Mangel ist es auch, wenn ein Gutachten aus dem Bereich der Schmerzmedizin auf einer Untersuchung beruht, die mehr als sechs Monate zurückliegt. Das hat das LSG Baden-Württemberg entschieden (Beschluss vom 21.08.2024 – L 10 KO 2110/24). Nach dieser Zeit sei davon auszugehen, dass die Sachverständige keine substanzielle Erinnerung mehr an die Untersuchung habe.

In dem Fall hatte die Sachverständige – statt der berechneten 2.949 Euro – keinen Cent für ihr Gutachten gesehen. Die Medizinerin hatte zwar im September eine ambulante Untersuchung durchgeführt, das Gutachten dazu aber erst Ende März des Folgejahres eingereicht – und das auch nur nach mehrfacher Aufforderung des Gerichts und einem Ordnungsgeld von 600 Euro. Weil die Kostenbeamtin es daraufhin abgelehnt hatte, das Gutachten zu vergüten, zog die Medizinerin vor Gericht.

LSG zieht Parallele zu Urteilsbegründung

Beim 10. Senat des LSG hatte sie damit keinen Erfolg. Nach § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG sei die Vergütung zu versagen, wenn das Gutachten aufgrund objektiv feststellbarer Mängel nicht zu verwerten sei. Die Voraussetzung sei allerdings, so das LSG, dass das Gutachten auch tatsächlich in dem Fall unberücksichtigt bleibe, was vorliegend der Fall war.

Nach mehr als sechs Monaten sei davon auszugehen, dass die Erinnerung der Sachverständigen an die Exploration und den persönlichen Eindruck vom Probanden naturgemäß verblasst sei, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Sachverständige innerhalb sechs Monaten eine Vielzahl von Untersuchungen durchführten. Zur Begründung zog der Senat auch eine Parallele zu Richterinnen und Richtern: Wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe hier nicht binnen fünf Monaten nach der Urteilsverkündung schriftlich niedergelegt werden, gelte das Urteil nach der Rechtsprechung als nicht begründet (GmS-OGB, Beschluss vom 27.04.1993 - GmS-OGB 1/92).

Sachverständige sind Gehilfen des Gerichts

Ein Gutachten erstellten Sachverständige nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags, führte das LSG weiter aus. Vielmehr seien sie Gehilfen des Gerichts. Als solche sei ihre Vergütung nicht an die sachliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Sachverständigengutachtens geknüpft, sondern hänge nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG von der Verwertbarkeit im Prozess ab.

Deswegen, so das Gericht, seien auch die zivilrechtlichen Regelungen über Leistungsstörungen oder Mängelhaftung nicht anwendbar. Es komme lediglich darauf an, dass diese Leistung überhaupt erbracht worden sei, nicht aber darauf, wie das Gericht oder die Parteien das Gutachten inhaltlich beurteilten.

§ 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG verlangt zwar eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung, die hier nicht erfolgt war. Diese war nach Auffassung des LSG hier aber auch entbehrlich. Da der Mangel auf dem Zeitverstreichen zwischen Untersuchung und Gutachten beruhte, hätte die Medizinerin ihn nicht beheben können. Der Beschluss ist unanfechtbar (Beschluss vom 21.08.2024 - L 10 KO 2110/24). 

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