Nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen ist die Sorge um die Demokratie groß. Was passiert, wenn populistische Parteien regieren? Wie wirkt sich das auf Gerichte, Wahlen und Medien aus? Der Verfassungsblog strebt eine bundesweite Analyse an.
Der Verfassungsblog will mit dem "Projekt Bundesrepublik" künftig "zivilen Verfassungsschutz" betreiben. Geplant ist zu beobachten, wo und wie die unabhängige Justiz, freie Medien und freie Wahlen "verwundbar sind" – denn dass sie es sind, wisse man bereits, so Chefredakteur und Gründer Maximilian Steinbeis. Der Schutz der Verfassung sei nichts, "was wir Polizei, Justiz und Geheimdiensten überlassen können. Dafür braucht es eine engagierte Zivilgesellschaft, die weiß, was auf sie zukommt", so das Portal in seiner Ankündigung.
Mit dem Projekt soll beleuchtet werden, wo Populistinnen und Populisten ansetzen könnten, um die Verfassung und deren Garantien anzugreifen. Ziel ist es laut Steinbeis, für den Bund und alle Länder zu analysieren, wie man staatliche Institutionen widerstandsfähiger gegenüber solchen Angriffe gestalten kann. Man wolle einen "zivilen Verfassungsschutz organisieren, ein breites Netzwerk knüpfen, das sich dem autoritären Populismus entgegenstellen kann".
Preisgekröntes Thüringen-Projekt als Vorbild
Das Projekt Bundesrepublik folgt auf das "Thüringen-Projekt", in dessen Rahmen sich das Portal 2023 damit auseinandersetzte, welche Einfallstore die Thüringer Rechtsordnung für populistische Bestrebungen bietet. Dabei analysierte das Team des Verfassungsblogs die politische Lage des Landes unter den Leitfragen: "Was wäre, wenn autoritäre Kräfte an staatliche Machtmittel kommen? Wie resilient ist die Demokratie in Thüringen?" Ziel des Projekt Bundesrepublik sei es, die Analyse aus Thüringen auf die gesamte Bundesrepublik auszuweiten.
Die Ergebnisse des Thüringen-Projektes wurden im Sommer 2024 in dem Buch "Die verwundbare Demokratie – Strategien gegen die populistische Übernahme" (Rezension bei beck-aktuell) veröffentlicht sowie in einem Podcast und diversen Podiumsdiskussionen besprochen.
Dabei stellte das Team um Steinbeis unter anderem die These auf, dass autoritäre Populistinnen und Populisten einen großen Wissensvorsprung hätten, was den instrumentellen Einsatz von Verfassungsinstitutionen betreffe. Das Landesverfassungsrecht werde rechtswissenschaftlich "eher stiefmütterlich" behandelt. Außerdem seien viele Vorgänge innerhalb der Exekutive, Judikative und Legislative nicht verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich festgeschrieben und beruhten nur auf losen Konventionen. Ihre Einhaltung sei für die gewohnten Beteiligten selbstverständlich, man müsse aber damit rechnen, das autoritäre Populisten diese ungeschriebenen Regeln ohne Zögern brechen würden. Deshalb bestehe eine reale Gefahr, durch populistische Kräfte "überrumpelt" und vor "vollendete Tatsachen" gestellt zu werden, so Steinbeis in seinem Buch.
Die Erkenntnisse der Analyse werden des Weiteren für Fortbildungsveranstaltungen genutzt, beispielsweise für Richterinnen und Richter, die Staatsanwaltschaft und für Lehrerinnen und Lehrer. Auch veröffentlichte der Verfassungsschutz ein "Policy Paper" mit konkreten Handlungsempfehlungen für den Landtag Thüringens. Für das Engagement wurde der Verfassungsblog mit dem Arnold-Freymuth-Forschungspreis sowie der Theodor-Heuss-Medaille für herausragenden Einsatz für Demokratie und Bürgerrechte ausgezeichnet.
Aufruf zu Spenden
Das Projekt Bundesrepublik soll durch ein beständiges Team vorangetrieben werden, welches Ideen und Vorschläge erarbeite, wie die Demokratie und die Verfassung resilienter gegenüber populistischen Bestrebungen werden kann. Dafür brauche es Spenden, so Steinbeis – "für zivilen Verfassungsschutz, für die Demokratie".
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
Gärditz, Resilienz des Rechtsstaates, NJW 2024, 407