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Nach RKI-Protokollen: Pflege-Impfpflicht doch verfassungswidrig?

VG Osnabrück
Wäh­rend der Pan­de­mie muss­ten im Pfle­ge- und Ge­sund­heits­be­reich Tä­ti­ge nach­wei­sen, dass sie gegen COVID-19 ge­impft oder ge­ne­sen sind. Das BVerfG hat das 2022 als ver­fas­sungs­mä­ßig be­stä­tigt. Doch auf­grund neuer Fak­ten hält das VG Os­na­brück dies für nicht halt­bar. Es hat daher er­neut das BVerfG an­ge­ru­fen.

§ 20a IfSG sei im Laufe des Jahres 2022 "in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen", so die Osnabrücker Richterinnen und Richter. Sie haben daher das Klageverfahren, das eine Pflegehelferin gegen den Landkreis Osnabrück führt, ausgesetzt (Beschluss vom 04.09.2024 – 3 A 224/22, unanfechtbar).

Die Pflegehelferin hatte 2022 in einem Krankenhaus gearbeitet. Der Landkreis hatte sie aufgefordert, einen Immunitätsnachweis vorzulegen, also entweder einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie nicht gegen das Coronavirus geimpft werden könne. Als die Pflegehelferin nicht reagierte, hatte der Landkreis es ihr Anfang November 2022 untersagt, weiter als Pflegehilfe tätig zu sein (befristet bis Ende Dezember 2022). 

Es gehe um die Frage, ob § 20a IfSG (in der Fassung vom 18.03.2022) mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar gewesen ist, so das VG. Zwar habe das BVerfG dies im April 2022 bereits bejaht. Doch die nun vorliegenden Protokolle des COVID-19-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI) werfen aus Sicht des VG ein neues Licht auf die Sache: Die Unabhängigkeit der behördlichen Entscheidungsfindung sei in Frage zu stellen. Das untermauere auch die Vernehmung des RKI-Präsidenten Lars Schaade als Zeuge in der mündlichen Verhandlung.

Das RKI habe das Bundesgesundheitsministerium auch von sich aus über neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung informieren müssen. Nach der Gesetzesbegründung sei der Schutz vulnerabler Personen vor einer Ansteckung durch ungeimpftes Personal ein tragendes Motiv für die Einführung der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Impfpflicht gewesen. Diese auf den Empfehlungen des RKI beruhende Einschätzung werde durch die nun veröffentlichten Protokolle des Instituts erschüttert. Der Gesetzgeber sei seiner Normbeobachtungspflicht nicht gerecht geworden (Beschluss vom 04.09.2024 - 3 A 224/22).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

BAG, Fristlose Kündigung wegen Verletzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, NJW 2024, 613

BVerfG, Covid-19-Impfung – "Einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht", NJW 2022, 1999

Fuhlrott, Kündigungen von ungeimpften Arbeitnehmern im Pflege- und Gesundheitssektor?, GWR 2022, 22


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