Die Bundesregierung muss ihr Nationales Luftreinhalteprogramm nachschärfen. Die bisher aufgelisteten Maßnahmen reichten nicht in allen Punkten aus, um die europäischen Ziele bei der Reduzierung des Ausstoßes von Luftschadstoffen zu erreichen, so die Richter. Die dem Programm zugrunde liegenden Prognosen seien teilweise fehlerhaft, weil etwa nicht die aktuellen Daten berücksichtigt worden seien, erklärte die Vorsitzende Richterin Ariane Holle (Urteil vom 23.07.2024 - 11 A 16/20).
Damit hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erneut - zumindest teilweise - erfolgreich gegen die Bundesregierung geklagt. Erst Mitte Mai hatte das OVG entschieden, dass die Bundesregierung ihr Klimaschutzprogramm nachschärfen muss, die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig.
Umwelthilfe: Tempo-Limit ist nötig
"Das ist ein wirklich guter Tag für die saubere Luft in Deutschland", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch nach der Urteilsbegründung. "Zum ersten Mal wurde die Bundesregierung dazu verurteilt, wirklich wirksame zusätzliche Maßnahmen für die Reduktion von fünf Luftschadstoffen zu beschließen und umzusetzen - und zwar schon für das Jahr 2025."
Auch diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ließen die Richter die Revision zu. Resch äußerte jedoch die Hoffnung, dass es bald zu Gesprächen mit den Bundesministerien für Verkehr, Bauen und Umwelt kommt. Um kurzfristig den Ausstoß von Stickstoffoxid deutlich zu reduzieren, sei ein Tempo-Limit auf den Autobahnen nötig.
Die Umwelthilfe geht mit diversen Klagen gegen die Klima- und Umweltpolitik der Bundesregierung vor. Im aktuellen Fall ging es um das 2019 beschlossene und im Mai 2024 aktualisierte Nationale Luftreinhalteprogramm mit zahlreichen Maßnahmen, mit denen Deutschland die europäischen Ziele bei der Reduzierung des Ausstoßes der Luftschadstoffe Ammoniak, Feinstaub, Schwefeldioxid und Stickstoffoxid erreichen will.
Programm beachtet aktuelle Berichte nicht ausreichend
Die DUH-Klage ist bereits seit dem Jahr 2020 anhängig und bezog sich damit auf das Nationale Luftreinhalteprogramm 2019, das die Bundesregierung im Verlauf des Gerichtsverfahrens angepasst hat. Aus Sicht der Umwelthilfe reichte das aber nicht aus. Das Gericht folgte der Argumentation in vielen Punkten. So sei der Klimaschutz-Projektionsbericht 2023 aus dem August 2023 nicht berücksichtigt worden, kritisierte der 11. Senat. Auch die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes vom September 2023 sei nicht einbezogen worden. Diese erlaube aber den Betrieb von Holzpelletheizungen, die zu einer stärkeren Luftverschmutzung mit Feinstaub führen.
Außerdem sei beim Thema Kohleverstromung noch davon ausgegangen worden, dass bis Ende 2029 alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen würden. Bezüglich des Verkehrs liege ein Prognosefehler vor, weil nicht berücksichtigt worden sei, dass die staatliche Förderung für den Kauf von Elektrofahrzeugen zwischenzeitlich gestoppt wurde.
Ausgehend von diesen Prognosefehlern sei die Bundesregierung zu einer entsprechenden Änderung des Luftreinhalteprogramms verpflichtet. Sie müsse darauf achten, dass die Maßnahmen geeignet sind, die in der NEC-Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen festgelegten Werte einzuhalten.
Hingegen hat das OVG die Bundesregierung nicht verpflichtet, von 2025 bis 2029 einen sogenannten "linearen Reduktionspfad" mit stetig steigenden Reduktionspflichten zu beschließen, der bis auf die ab 2030 geltenden Reduktionsverpflichtungen ansteigt. Da das der Hauptantrag der DUH-Klage war, ist der Klage nur mit dem Hilfsantrag stattgegeben worden (Urt. v. 23.7.2024 - 11 A 16/20).