VW sollte außerdem verpflichtet werden, den CO2-Ausstoß durch die bereits produzierten Fahrzeuge zu verringern. Die Klägerseite sieht durch VW ihre grundgesetzlich geschützten Rechte beeinträchtigt, insbesondere ihr Eigentum, ihre Gesundheit und ihre persönliche Freiheit. Der Konzern trage mit seinen Fahrzeugen und den dadurch veranlassten Emissionen zum weltweiten Klimawandel bei.
Dem war schon das LG Braunschweig nicht gefolgt. Das OLG erachtete nun die Berufung als offensichtlich unbegründet und wies diese ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurück (Beschluss vom 24.06.2024 – 2 U 8/23, nicht rechtskräftig). Der Klägerseite stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
VW handelt rechtmäßig
Der Gesetzgeber habe im Verkehrssektor verfassungskonforme und zur Klimaneutralität führende Regelungen geschaffen. Er sei damit seiner Verpflichtung, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, nachgekommen. Da VW sich unstreitig an die gesetzlichen Vorgaben und Regelungen halte, könne weder das Inverkehrbringen neuer Personenkraftwagen mit Verbrennungsmotoren noch der damit im Zusammenhang stehende Ausstoß der Emissionen rechtswidrig sein. Daher scheide auch ein Verstoß der VW AG gegen ihr obliegende Verkehrssicherungspflichten aus.
Das die Klägerseite sich auf den Schutz ihrer Grundrechte berufe, helfe ihr nicht weiter. Grundrechte entfalteten in der Regel ausschließlich unmittelbare Wirkung im Verhältnis zwischen Bürger und Staat, erinnert das OLG. Sie seien zwar bei der Auslegung zivilrechtlicher Normen des Deliktsrechts wie §§ 1004, 823 BGB zu berücksichtigen. Allerdings reiche die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten gerade nicht weiter als deren unmittelbare Abwehrfunktion gegenüber dem Staat.
Tut der Staat genug?
Der Gesetzgeber habe mit dem Klimaschutzgesetz und dem "Paket Fit für 55" verfassungskonforme Regelungen geschaffen. Angesichts dessen könne die Klägerseite den Staat nicht weitergehend verpflichten. Daher stünden ihr die geltend gemachten Ansprüche auch gegenüber VW nicht zu.
Die grundsätzliche Frage, die die Klägerseite mit ihrer Klage aufwerfe, nämlich, ob die gesetzlichen Klimaschutzvorgaben als ausreichend anzusehen seien, unterliege gegebenenfalls einem weiteren gesellschaftlichen und politischen Diskurs. Sie könne aber nicht in dem vorliegenden Zivilrechtsstreit entschieden werden, der ausschließlich das bilaterale Verhältnis der beiden Parteien betreffe, unterstreicht das Gericht. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Er kann beim BGH mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden (Beschluss vom 24.06.2024 - 2 U 8/23).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
Schirmer, Klimahaftung: Überforderung der Gerichte?, ZfPW 2024, 159
Schmidt-Ahrendts, Klimaklagen: auf in die 2. Runde!, ZUR 2023, 416
Schmidt-Ahrendts/Schneider, Gerichtsverfahren zum Klimaschutz, NJW 2022, 3475