Der Landtag Brandenburg hatte am 15. Dezember 2022 per Beschluss die außergewöhnliche Notsituation gemäß Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV festgestellt und gleichzeitig die Kreditaufnahme und Ausgaben in Höhe von zwei Milliarden Euro ermöglicht. Begründet wurde dies mit den Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Die 23 Abgeordneten der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg leiteten daraufhin im Mai 2023 eine abstrakte Normenkontrolle ein.
Hinsichtlich der Feststellung der außergewöhnlichen Notsituation hat das VerfG den Antrag als unzulässig verworfen (Urteil vom 21.06.2024 – VfGBbg 22/23). Der hierzu vom Landtag gefasste Beschluss könne nicht isoliert mit der Normenkontrolle angegriffen werden. Für die eigenständige Prüfung dieses Beschlusses, der keinen Gesetzesrang habe, bestehe auch vor dem Hintergrund, dass das Bestehen der Notsituation ohnehin als Voraussetzung für die Kreditermächtigung zu prüfen sei, kein Bedürfnis. Der Antrag hatte hingegen Erfolg, soweit er die Regelungen zur Aufnahme der Kredite und zur Einwilligung in entsprechende Mehrausgaben betraf. Das VerfG erklärte die entsprechende Regelung im Haushaltsgesetz 2023/2024 für nichtig.
Veranlassungszusammenhang nicht ausreichend dargelegt
Bei seiner Entscheidung hat sich das VerfG nach eigenen Aussagen weitgehend an den Maßstäben orientiert, die das BVerfG in seiner Entscheidung vom 15. November 2023 zur Kreditermächtigung in Höhe von 60 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds aufgestellt hat (Urteil vom 15.11.2023 – 2 BvF 1/22). Mit der Regelung in Art. 103 Abs. 2 Satz 2 LV seien die bundesrechtlichen Regelungen zur sogenannten "Schuldenbremse" nahezu wortgleich in die LV übernommen worden.
Den danach an eine notlagenbedingte Kreditaufnahme zu stellenden Anforderungen genügten die angegriffenen haushaltsrechtlichen Vorschriften nicht. Zwar habe aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine tatsächlich eine außergewöhnliche Notsituation im Land Brandenburg vorgelegen und der Gesetzgeber sei auch in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass sich die Notsituation der Kontrolle des Staates entziehe und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtige. Er habe aber den notwendigen Veranlassungszusammenhang zwischen der festgestellten außergewöhnlichen Notsituation und den geplanten Krisenbewältigungsmaßnahmen nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang dargelegt.
Die Ausführungen des Haushaltsgesetzgebers zu der erforderlichen Prognose, dass und wie durch die erhöhte Kreditaufnahme die Notsituation beseitigt oder abgemildert werden soll, erlaubten dem VerfG keine hinreichende Vertretbarkeits- beziehungsweise Plausibilitätskontrolle. Dies gelte nicht nur für die Frage, ob die kreditfinanzierten Maßnahmepakete geeignet seien, die Überwindung der außergewöhnlichen Notsituation zu fördern, sondern auch hinsichtlich der Höhe der Kreditermächtigungen.
Gericht verneint Rückabwicklungspflichten
Für die anzustellende Geeignetheitsprognose komme es zwar nicht auf jede einzelne, sondern auf die Gesamtheit der Maßnahmen an. Um die Eignung des Gesamtpakets beurteilen zu können, müsse aus der Begründung des Landesgesetzgebers aber erkennbar werden, welche einzelnen Maßnahmen Bestandteil des Gesamtpakets sein sollen. Daran fehle es. Die Beschreibung der einzelnen Maßnahmen erschöpfe sich zumeist in pauschal formulierten "Schlagwörtern" und einer regelmäßig nicht abschließenden Aufzählung von Sektoren, in denen Entlastungs-, Unterstützungs- und Anpassungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Welche konkreten Umsetzungsmaßnahmen sich dahinter verbergen, werde für eine Vielzahl der Bereiche nicht deutlich.
Die Darlegungen erlaubten es zudem nicht, die als krisenbedingt angesehenen Maßnahmen von allgemeinpolitisch motivierten Maßnahmen, die nicht über notlagenbedingte Kreditermächtigungen finanziert werden dürften, abzugrenzen. Soweit der Landtag und die Landesregierung darauf abstellten, dass die Maßnahmepakete in der Folge durch das Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg konkretisiert worden seien, sei dies ohne Bedeutung, weil sich dies nicht dem Haushaltsgesetzgeber zurechnen lasse.
Aus der Nichtigkeitsfolge ergäben sich indes keine Rückabwicklungspflichten, betonten die Richter. Der allgemeine Rechtsgedanke, wonach unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt nicht rückwirkend aufgehoben und die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangenen Wirkungen nicht beseitigt werden müssten, beanspruche auch für das brandenburgische Verfassungsprozessrecht Geltung (Urteil vom 21.06.2024 - 22/23).