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Zu viele Juristen verderben die Verwaltung

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos
Wer ist schuld an der in­ef­fi­zi­en­ten deut­schen Ver­wal­tung? Die Ju­ris­ten, sagt eine Stu­die der Deut­schen Aka­de­mie der Tech­nik­wis­sen­schaf­ten. Zwar sind sie dem­nach wich­tig und auch nicht die ein­zi­ge Ur­sa­che, doch etwas Input aus an­de­ren Fach­rich­tun­gen würde nicht scha­den, sagen die For­scher.

(Voll-)Juristinnen und Juristen gelten im Staate Deutschland offenbar als so etwas wie der Goldstandard unter den Fachrichtungen. Sie werden regelmäßig gesucht und besetzen oft Führungspositionen. Auch in der Breite dominieren Rechtsgelehrte, um die 15% der Bundestagsabgeordneten sind etwa Anwältinnen oder Anwälte. Und auch die deutsche Verwaltung kann sich über einen Mangel an Juristinnen und Juristen nicht beschweren. Vielleicht eher über einen Überschuss, wie eine aktuelle Studie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) nahelegt. 

Bei acatech handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, der Politikerinnen und Politiker in technikwissenschaftlichen und technologiepolitischen Fragen beraten will. Er wird durch institutionelle Förderungen von Bund und Ländern sowie Spenden und Drittmittel finanziert. Die Untersuchung mit dem Titel "Innovationssystem Deutschland: Effizienz und Agilität der öffentlichen Verwaltung erhöhen", die am Montag veröffentlicht wurde, beschäftigt sich, grob gesagt, mit dem Weg, der in Deutschland zwischen einer Idee und einem marktreifen Produkt liegt. Die Grunderkenntnis dürfte für viele wenig überraschend kommen: Es ist ein langer. Grund dafür ist nach der Autorin und den beiden Autoren eine immer weiter fortschreitende Regulierung, wodurch die Verwaltung zunehmend überlastet werde. Diese brauche deshalb eine umfassende Modernisierung, folgern sie.

Deutschland europaweit Spitzenreiter beim Juristenanteil in der Verwaltung

Die Autorin und die beiden Autoren haben für ihre Studie zum einen administrative Daten und verfügbare Befragungen ausgewertet, zum anderen aber auch selbst Interviews mit unterschiedlichen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung geführt. In ihrem Bericht konstatieren sie,  dass 49% der Behördenleitungen den Staat in der Bewältigung seiner Aufgaben und  Probleme überfordert sähen. Nur 34% der Befragten aus der Wirtschaft und 27% Prozent der Bürgerinnen und Bürger nähmen die öffentliche Verwaltung als leistungsfähig wahr.

Um die Missstände zu beheben, müssten "übermäßig verfestigte Strukturen und eine gewachsene Verwaltungskultur"  in den Bereichen Beschäftigte, Strukturen und Technologien aufgebrochen und "in Richtung Effizienz und Agilität" entwickelt werden. Was zunächst einmal nach dem Fazit einer mittelprächtigen Power-Point-Präsentation eines Unternehmensberaters klingt, hat aber in der Studie ganz konkrete Vorschläge zum Gegenstand. Und hier kommen die Juristinnen und Juristen in Spiel, bzw. aus dem Spiel: Nirgendwo anders in Europa  sind diese demnach in der Verwaltung so präsent wie in Deutschland. Gut 45% der Beschäftigten machen sie aus, was der Untersuchung zufolge eher kontraproduktiv ist.

Eher auf Fehlervermeidung als auf Innovation ausgerichtet

So seien Juristinnen und Juristen zwar qua ihrer Expertise wichtig für rechtliche Aufgaben wie etwa die Gestaltung von Verwaltungsakten. Doch: "Eine einseitige Fokussierung auf die juristische Qualifikation bei der Besetzung von Führungsstellen in der Verwaltung führt jedoch zu einer Vernachlässigung solcher Kompetenzen, die für eine agilere und effizientere Verwaltung zumindest gleichermaßen nötig wären." Will heißen: Bedenkenträgertum tut nur in Maßen gut. In Kombination mit dem zweitgeringsten Anteil an Beschäftigten mit längerer Erfahrung aus der Privatwirtschaft werde so eine Verwaltungskultur geschaffen, die eher auf Fehlervermeidung ausgerichtet und dadurch nur begrenzt innovationsfähig sei.

Zu einseitig soll man daher nicht auf die Rechtsexpertinnen und -experten setzen, so die Schlussfolgerung der Studie. Stattdessen könne man den Bedarf an juristischer Expertise durch eine Rechtsabteilung abdecken, wie es bspw. die Stadt Köln und das Bundesministerium des Innern und für Heimat täten. Dort biete man eine interne Rechtsberatung für verwaltungsrechtliche Fragen an und reduziere somit den Bedarf für rechtliche Expertise in den anderen Fachabteilungen.

Eine Randnotiz im Bericht widmete sich dann auch noch dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Justiz. Da letztere heute bereits an der Kapazitätsgrenze arbeite, könne KI ein wichtiger Schlüssel sein, um Juristinnen und Juristen effektiv zu entlasten, heißt es im Bericht. Eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie acatech getragene Plattform namens "Lernende Systeme" zeige in einem White Paper die Möglichkeiten und Voraussetzungen eines Einsatzes von KI im Rechtswesen auf, darunter eine geeignete Datenbasis maschinenlesbarer Gerichtsurteile sowie Investitionen in die technische Infrastruktur und Weiterbildung.

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

Koch/Siegmund/Siegmund, Effiziente Beschaffung von Innovationen in der öffentlichen Verwaltung, MMR 2023, 645

Landenberg-Roberg, Transformation durch innovationsfördernde Regulierung, ZUR 2023, 148

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