Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Manuela Niehaus, Universität Speyer
6/2024
„Wann Bubatz legal?“ wurde Bundeskanzler Olaf Scholz im ARD-Sommerinterview 2022
gefragt. Der Fragesteller dürfte entsprechend erfreut auf den Beschluss des Bundestags zum
Cannabisgesetz (CanG) reagiert haben. Ab dem 1. April sollen Besitz und Konsum von Cannabis teilweise erlaubt und damit die erste Säule der Legalisierung – der private und gemeinschaftliche, nicht-gewinnorientierte Eigenanbau – umgesetzt werden. Volljährige Privatpersonen dürfen dann 25 Gramm Cannabis mit sich führen, am eigenen Wohnort bis zu drei
Cannabispflanzen anbauen und insgesamt 50 Gramm getrocknetes Cannabis
aufbewahren. Die beabsichtigte zweite Säule sieht die Etablierung regionaler
Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor.
Mit dem CanG gesteht die Ampel ein, was Experten schon lange klar ist: die restriktive Drogenpolitik ist gescheitert. Cannabis ist das meistgehandelte Betäubungsmittel, sein Anteil an den Rauschgift-Handelsdelikten lag 2022 bei 60,2%. Die bisherigen Regelungen zur Straflosigkeit von Konsum, aber nicht Besitz der Droge und die bürokratischen Hürden, die mit der Erzeugung und dem Vertrieb von Medizinalcannabis einhergingen, haben nicht nur viele Kapazitäten gebunden, sondern ferner zu einem florierenden Schwarzmarkt beigetragen, auf dem auch verunreinigtes Cannabis gehandelt wird. Diesen Schwarzmarkt – und damit verbundene mögliche Gesundheitsgefahren gerade für junge Erwachsene – soll das CanG austrocken. Um Kinder und Jugendliche aber weiterhin zu schützen, sollen Präventionsangebote verstärkt und der Mindeststrafrahmen für die Abgabe der Droge an Minderjährige angehoben werden.
Der „Kiffer-Sommer“ (Der Westen) hätte also kommen können. Allein: die Länder spielen
nicht mit. So fürchtet Bayern, wo jährlich das größte dem Alkohol gewidmete Volksfest mit
hunderttausenden Besuchern aus aller Welt stattfindet, „Drogentourismus“. Überdies werden
andere Bedenken geäußert: die Umsetzung der Regelungen stellt Justiz und Verwaltung vor
Probleme. Zwar soll das Gesetz langfristig für Entlastung sorgen – für die Verwaltung etwa,
weil Vergabeverfahren und regelmäßige Meldungen im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Medizinalcannabis wegfallen; für die Justiz, weil Cannabis aus dem Anwendungsbereich des BtMG gestrichen wird. Kurzfristig wird der Arbeitsaufwand jedoch immens sein.
Der (ohnehin eine Entlastung anzweifelnde) Deutsche Richterbund warnt, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte aufgrund des Erlasses von noch nicht vollstreckten Strafen (geplanter
Art. 316 o bzw. p EGStGB) überlastet würden, da händisch Akten überprüft und neue Gesamtstrafen gebildet werden müssten – mit der Folge, dass sich die Justiz sogar gezwungen
sehen könnte, auch wegen anderer Delikte verurteilte Straftäter laufen zu lassen.
Auch die Umsetzung der zweiten Säule ist mit Hinblick auf das Völker- und Europarecht
keineswegs gesichert. Ob die von Deutschland favorisierte Lösung über eine Interpretationserklärung, wonach das CanG mit internationalen und europäischen Abkommen (etwa dem
Schengener Durchführungsübereinkommen) vereinbar sei, auch von anderen Vertragsparteien und der EU-Kommission akzeptiert wird, steht derzeit noch auf einem anderen Blatt.
Ob diese Bedenken in einem Verfahren vor dem Vermittlungsausschuss noch ausgeräumt
werden können, bleibt abzuwarten – ein „chilliger“ Sommer steht jedoch erst einmal nicht
bevor.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Manuela Niehaus, Universität Speyer