Wegen einer erheblichen Straftat mit Verkehrsbezug kann man die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) verlangen. Wenn allerdings acht Jahre seit der Tat vergangen sind, so das VG Bremen, sollte der Behörde bewusst sein, dass es um eine Ermessensentscheidung geht.
Ein Mann hatte 2015 für 500 Euro einen Kleintransporter mit geschleusten Flüchtlingen aus Bulgarien mit seinem Pkw begleitet. Dafür wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Er saß nur einen Teil der Haftstrafe ab, der Rest wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach seiner Entlassung war er als Gerüstbauer selbstständig. 2023 verlangte die Verkehrsbehörde von ihm plötzlich eine MPU. Es bestehe ein entsprechender Handlungsbedarf wegen mehrerer erheblicher Straftaten mit einer Gesamtfreiheitsstrafe, so die Begründung. Sie wollte geklärt wissen, ob "der zu Untersuchende auch zukünftig gegen strafrechtliche Bestimmungen mit verkehrsrechtlichem Bezug verstoßen und/oder künftig allgemeine Straftaten in Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begehen wird". Damit war der Mann zwar einverstanden, legte dann aber doch kein Gutachten vor. Wegen seiner fehlenden Mitwirkung forderte die Führerscheinstelle ihn auf, seinen Führerschein abzugeben. Dagegen zog er vor Gericht.
Das VG Bremen gab dem Eilantrag gegen die Entziehung statt, da die Fahrerlaubnisentziehung voraussichtlich rechtswidrig gewesen sei (Beschluss 24.1.2024 – 5 V 2805/23). Zwar hätten die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV (erhebliche Straftat unter Nutzung eines Fahrzeugs) vorgelegen: Denn der Antragsteller habe das Schleuserfahrzeug begleitet, womit er eine erhebliche Straftat begangen habe, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stand.
Die Aufforderung lasse schon keine hinreichende Ermessensausübung nach § 11 Abs. 3 FeV ("kann … angeordnet werden") durch die Fahrerlaubnisbehörde erkennen, monierten die Bremer Richterinnen und Richter. Vor allem habe sie sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob "bei mehrere Jahre zurückliegenden Verstößen mit Blick auf deren Art, Zahl und Erheblichkeit" wie hier nach wie vor die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens überhaupt noch gerechtfertigt sei. Zudem habe sie auch nicht die Aspekte der Dauer der Strafhaft und Bewährungszeit sowie das Verhalten seit der Verurteilung im Straßenverkehr (und außerhalb) erkennbar gewürdigt.
Als Fehler kreidete das Gericht zusätzlich an, dass die Behörde von vier tatmehrheitlichen Fällen mit einer Gesamtfreiheitsstrafe ausgegangen war – es gab aber nur eine Tat (Beschluss vom 24.01.2024 - 5 V 2805/23).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
BVerwG, Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens – Hinweispflichten, NJW 2017, 1765
OVG Lüneburg, Anordnung der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach Straftaten, NJW 2014, 3176
VGH Mannheim, Ermessenserwägungen bei Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, NJW 2013, 1896