Die Bundesregierung muss Finanzlöcher im Haushalt stopfen und will dazu unter anderem die Subventionierung von Agrardiesel abbauen. Bei Ökonomen stößt der Kurs der Ampel-Koalition auf offene Ohren, wie eine Anhörung im Finanzausschuss am Montag zeigte. Allerdings gab es auch kritische Stimmen zu den "Dieselplänen".
Die Bundesregierung hatte letzte Woche ein Sparpaket auf den Weg gebracht, darunter auch die umstrittenen Subventionskürzungen für Landwirte. Die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll danach schrittweise abgebaut werden. Zunächst hatte die Regierung eine sofortige Streichung der Subventionen angedacht, nach Protesten aber nachgebessert. Der strikten Sparpolitik vorausgegangen war eine Entscheidung des BVerfG zum Nachtragshaushalt 2021.
Die Experten im Finanzausschuss begrüßten bei der Anhörung den Wechsel zu einem schrittweisen Abbau der Subventionen. So lobte Bernhard Brümmer, Professor für Landwirtschaftliche Marktlehre an der Universität Göttingen, dass das Ende der Subvention nun nicht abrupt und kurzfristig erfolgen solle, sondern über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Allerdings dürfe die Streichung der Diesel-Subvention Landwirte nicht in "existenzielle Schwierigkeiten" bringen, forderte Alfons Balmann, Professor am Leibnitz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien. Er wies aber darauf hin, dass bisher von der Subvention besonders große Betriebe profitierten.
Aus Sicht des Karlsruher Ökonomie-Professors Berthold Wigger sprechen "umweltökonomische, ordnungspolitische und verteilungsökonomische Gründe" gegen das Diesel-Privileg der Landwirte. Er verwies unter anderem darauf, dass die Landwirtschaft weder Teil der europäischen noch der nationalen CO2-Bepreisung sei.
Friedrich Heinemann, Wissenschaftler am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, wies in seiner Stellungnahme das Argument zurück, dass höhere Preise für Treibstoff nicht zu weniger Verbrauch führen werden. Die Nachfrager könnten auch hier sehr wohl preiselastisch reagieren. "Sogar Landwirtschaftsverbände haben seitenweise Vorschläge, wie man Diesel spart", sagte Heinemann. Wie andere Ökonomen, so verwies auch Heinemann darauf, dass Subventionen in der Landwirtschaft auch dazu führten, dass die Pachtpreise stiegen. "Wer das bestreitet, der kennt die empirische Forschung nicht", machte Heinemann deutlich.
Bauernverband: Kein Wechsel zur E-Mobilität möglich
Anders sieht das der Vertreter des Deutschen Bauernverbandes. Angesichts des wachsenden Flächenverbrauchs in Deutschland, auch jenseits der Landwirtschaft, sei nicht zu erwarten, dass die Preise für Flächen sänken. Er verwies auch darauf, dass vor allem in der Veredelungsindustrie mit sehr hohen Dieselverbräuchen pro Hektar zu rechnen sei, etwa in der Milchindustrie. Dem Bauernverband zufolge hat die Bundesregierung den Bauern bereits "900 Millionen Euro weggenommen". Dass die Bauern zuletzt gut verdient hätten, liege daran, dass die hohen Kosten für Düngemittel und andere Faktoren wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine in diesen Jahren noch nicht zu Buche schlügen. Aus Sicht des Bauernverbandes ist es in der Landwirtschaft auch nicht möglich, auf E-Mobilität zu wechseln.
Kritik am Abbau der Subventionen für Agrardiesel kam auch vom Professor für Betriebswirtschaftslehre und ehemaligen niedersächsischen Staatssekretär Ludwig Theuvsen (CDU). Für ihn ist das Agrardiesel-Privileg der Bauern nur dann eine klimaschädliche Subvention, wenn es Alternativen zum Dieselantrieb gibt, die er aber nicht sieht. Er verwies darauf, dass die Motoren in Landmaschinen meist von Lkw-Herstellern kämen. Dort gebe es schon jetzt aufgrund der hohen Dieselkosten in der Transportbranche einen sehr hohen Druck, effiziente und sparsame Motoren zu bauen. Der Betriebswirt warnte ferner davor, negative Anreize dafür zu setzen, dass junge Landwirte den elterlichen Betrieb übernehmen. "Landwirte gehen in andere Bereiche", sagte er, Betriebe würden still gelegt.
Änderung der Luftverkehrsabgabe ohne klimapolitische Lenkungswirkung
Ebenfalls Thema in der Anhörung war die Änderung der Luftverkehrsabgabe. Die Ampel-Koalition will laut ihrem Gesetzentwurf einerseits Steuersätze erhöhen, andererseits den im Luftverkehrssteuergesetz vorgesehenen Mechanismus zur Absenkung der Steuersätze ändern. Von diesen Maßnahmen erwarten die Experten kaum eine klimapolitische Lenkungswirkung.
Vor Verlagerungseffekten warnte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Es drohe eine Verlagerung von innereuropäischen Flügen an ausländische Standorte. Als eher gering sieht diese Gefahr Ökonom Wigger. Zwar brächten die Maßnahmen "keinen nennenswerter Beitrag zum Klimaschutz". Es seien aber auch keine starken negativen Effekte auf den deutschen Luftverkehr zu erwarten. Die geplanten Änderungen seien geeignet, zusätzliche Haushaltseinnahmen zu erzielen, erklärte Wigger mit Blick auf die geplante höhere Ticketsteuer.
Eine Reihe von weiteren Vorschlägen zum Abbau klimaschädlicher Subventionen machte das Forum Ökologische-Soziale Marktwirtschaft, etwa eine Erhöhung der Pauschalbesteuerung von Dienstwagen mit Verbrennungsmotor von einem auf zwei Prozent. Für tierische Produkte solle der normale anstelle des ermäßigten Steuersatzes gelten, zugleich sollte für mehr pflanzliche Produkte ein geringerer Satz gelten, schlägt der Verein vor.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
BVerfG, Nichtigkeit des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021, NJW 2023, 3775
Müller/Hunsalzer, Agri-Photovoltaik: Beihilfefähigkeit von landwirtschaftlichen Flächen bei Doppelnutzung – Die Technik ist bereit, das Gesetz nicht, IR 2022, 50
Khalilian/Peterson, Auf dem Weg zu einer effizienteren Regulierung im Energiebereich – Subventionsabbau und grundlegende Reformen, ZfU 2011, 183