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Zwangsadoption in der DDR: Betroffene haben Entschädigungsanspruch

BVerwG
Wer in der ehe­ma­li­gen DDR in rechts­staats­wid­ri­ger Weise ad­op­tiert wurde, hat einen An­spruch auf ver­wal­tungs­recht­li­che Re­ha­bi­li­tie­rung. Vor­aus­set­zung sei, dass die Ad­op­ti­on für den Be­trof­fe­nen zu ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen ge­führt habe und diese heute noch fort­wirk­ten, so das BVer­wG.

Nach dem Tod seiner Ex-Frau beantragte ein Mann in den 1970er Jahren in der DDR die Übertragung des Erziehungsrechts für den gemeinsamen Sohn und verwies auf seinen Ausreiseantrag. Beide Anträge wurden abgelehnt und das 3-jährige Kind bei Pflegeeltern untergebracht, die den Jungen einige Jahre später gegen den Willen des Vaters adoptierten. Der Vater war mittlerweile aus politischen Gründen inhaftiert und anschließend in die Bundesrepublik entlassen worden. Als auch die Ehe der Pflegeeltern scheiterte, wurde dem Adoptivvater das Erziehungsrecht zugesprochen. Weil dieser das Kind jedoch misshandelte und deswegen eine Bewährungsstrafe erhielt, wurde das Kind bis zur Volljährigkeit in verschiedenen Heimen und Jugendwerkhöfen untergebracht.

Da er wegen der Adoption bis heute unter schweren Gesundheitsschädigungen leide, beantragte der mittlerweile 51-Jährige erfolglos seine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung. Der Mann zog bis vor das Bundesverwaltungsgericht, welches wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob Adoptionen der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung unterliegen, die Revision zugelassen hat und ihm nun recht gab (Urteil vom 19.10.2023 - 8 C 6.22).

Adoptionen unterliegen der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung

§ 1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG) sei auf Adoptionen in der ehemaligen DDR insofern anwendbar, dass an die Stelle der Aufhebung der Adoption die Feststellung ihrer Rechtsstaatswidrigkeit trete, so die Richterinnen und Richter. Der Einigungsvertrag und die daraus folgende Spezialregelung des Art. 234 § 13 EGBGB in Verbindung mit §§ 1759 ff. BGB regelten die Aufhebung von Adoptionen zwar abschließend, stünden jedoch einer Rehabilitierung in sonstiger Weise nicht entgegen. Die Betroffenen von einer solchen Rehabilitierung und den mit ihr verbundenen Versorgungsansprüchen auszuschließen, wäre aus Sicht des Senats auch vor dem Gleichbehandlungsgebot nicht zu rechtfertigen. 

Im vorliegenden Fall sei die Adoption mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates unvereinbar gewesen, da sie in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit verstoßen und als Willkürakt sachfremden Zwecken gedient habe. Sie habe sich nicht - wie nach dem Familienrecht der DDR erforderlich - am Kindeswohl orientiert, sondern dazu gedient, den Vater des Mannes zu disziplinieren. Außerdem habe sie eine gemeinsame Ausreise verhindern sollen. Ihre Folgen wirkten für den nunmehr erwachsenen Sohn noch immer in Form von gesundheitlichen Beeinträchtigungen unmittelbar schwer und unzumutbar fort (Urt. v. 19.10.2023 - 8 C 6.22).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

von Rosenberg/Neuner/Weberling, "Gestohlene Kinder" in der DDR. Ein Forschungsdesiderat, NJ-Beil 2023, 48

VG Halle, Rechtsstaatswidrige Zwangsadoption in der DDR, NJ 2021, 565 (Erstinstanz)

Fritsche, Die Rechtsstellung ehemaliger DDR-Heimkinder nach der Novellierung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, NJ 2020, 208

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