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Für mehr Wohnungsbau: Bundesregierung kippt geplanten Ökostandard

Redaktion beck-aktuell (dpa)
Hun­dert­tau­sen­de Woh­nun­gen wer­den ge­braucht, aber zu we­ni­ge ge­baut. Mit 14 Vor­ha­ben will die Am­pel­ko­ali­ti­on das än­dern. Große Wir­kung er­hofft sie sich vor allem vom Ver­zicht auf den im Ko­ali­ti­ons­ver­trag für 2025 ver­ein­bar­ten En­er­gie­spar­stan­dard EH40 für Neu­bau­ten.

Beim Krisentreffen der Regierung mit der Baubranche betonte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag: "In Deutschland müssen mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden". Bundesbaumauministerin Klara Geywitz (SPD) ergänzte:  "Indem wir Klimaschutz im Gebäudesektor ganzheitlicher denken, werden wir mehr CO2 einsparen, und indem wir den Bau neuer Wohnungen deutlich leichter machen, werden wir mittelfristig mehr Wohnungen und bezahlbare Mieten haben".

Die jetzt geplante Abkehr vom Energiesparstandard EH40 für Neubauten hatte Geywitz bereits in der Vergangenheit gefordert, nun ließ sich auch Klimaminister Robert Habeck (Grüne) darauf ein. Er erklärte: "Mit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes ist sichergestellt, dass Neubauten ab 2024 klimafreundlich heizen. Deshalb halte ich es nicht mehr für nötig, jetzt auf die Schnelle den neuen Standard EH40 einzuführen." Noch im Juli 2022 hatte Habeck im Klimaschutz-Sofortprogramm für den Gebäudesektor den Ökostandard von EH40 eingefordert.

EH40 heißt: Ein Bedarf von 40% der Energie eines Vergleichsneubaus. Derzeit gilt der Standard EH55 für Neubauten. EH40 sollte den Energiebedarf für Heizen weiter senken und damit auch den Ausstoß von Klimagasen. Doch wird das Bauen damit aufwendiger und teurer. 

Serielles Bauen und verstärkte Förderung

Scholz bezeichnete zudem das serielle Bauen als Schlüsselinstrument. Damit könnten ohne aufwendige neue Verfahren einmal genehmigte Häuser auch in anderen Landkreisen gebaut werden. Dafür müssen Länder und Kommunen allerdings mitziehen.

Im 14-Punkte-Plan der Bundesregierung ist außerdem eine Reform der zuletzt nur zögerlich genutzten Eigentumsförderung für Familien vorgesehen. Die Einkommensgrenze einer Familie mit einem Kind soll von 60.000 auf 90.000 Euro erhöht werden, je weiterem Kind können 10.000 Euro hinzuverdient werden. In den kommenden zwei Jahren werde der Bund zudem ein Programm für den Kauf sanierungsbedürftiger Häuser auflegen. Gleichzeitig soll der Umbau leerstehender Büros und Läden zu neuen Wohnungen unterstützt werden. Das Geld soll aus dem Klima- und Transformationsfonds, einem Sondertopf außerhalb des Bundeshaushalts kommen.

Bei Bauvorhaben soll es zudem Steuervorteile durch besondere Abschreibungsregeln, die sogenannte Afa, geben. Der "Klimabonus", der Hauseigentümer beim Tausch alter, fossiler gegen neue, klimafreundliche Heizungen fördert, soll erhöht und auch auf Wohnungsunternehmen und Vermieter ausgeweitet werden. Den Ländern soll eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ermöglicht werden. Die angepeilte sogenannte Wohngemeinnützigkeit soll im kommenden Jahr an den Start gehen. Dabei sollen Vermieter, die dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, steuerlich begünstigt und gefördert werden.

Bau- und Wohnungsbranche überwiegend zufrieden – Umweltverbände enttäuscht

"Die Ampel hat die Tragweite der Situation wohl erkannt", teilte der Zentralverband des Baugewerbes mit. Der Immobilienverband ZIA äußerte sich ebenfalls positiv: "Ein neuer Realismus beim Klimaschutz und klare steuerliche Entlastungssignale zeigen: Die Gespräche der letzten Wochen haben sich gelohnt." Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie lobte das Paket als "umfangreicher als erwartet". Wichtig sei nun, dass auch ein attraktiveres Zinsverbilligungsprogramm geprüft werde.

Der Wohnungswirtschaftsverband GdW, der das Treffen im Kanzleramt boykottiert hatte, sah ebenfalls eine positive Entwicklung. Für sozial orientierte Wohnungsunternehmen sei aber leider nichts herausgekommen. So könnten diese Unternehmen die neuen Abschreibungsmöglichkeiten gar nicht nutzen. Der Verband forderte unter anderem eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19% auf 7% für bezahlbaren Wohnungsbau und KfW-Darlehen zu einem verbilligten Zinssatz von 1%. Dann könnten auch wieder bezahlbare Neubaumieten garantiert werden.

Enttäuscht zeigten sich vor allem Umweltverbände: "Das Maßnahmenpaket der Ampel zum Bauen und Wohnen ist keine Weichenstellung in eine sozial gerechtere und ökologischere Zukunft, sondern ein Fiasko", kritisierte die Geschäftsführerin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Antje von Broock. Der Abschied vom Ökostandard sei völlig inakzeptabel. "Mit den Plänen der Ampel schlittern wir weiter der Klimakatastrophe entgegen, und immer mehr Menschen wissen nicht, wie sie ihre nächste Heizkostenrechnung bezahlen sollen."

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

Stäsche, Entwicklungen des Klimaschutzrechts und der Klimaschutzpolitik 2021-2022, EnWZ 2022, 201

Brüggemann, Energiewende im Gebäudesektor: Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit durch technikoffene Lösungen, ZUR 2016, 699

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