Zwei Lehrerinnen müssen sich nach dem Tod einer Schülerin während einer Klassenfahrt wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten. Anders als das LG Mönchengladbach hält das OLG Düsseldorf eine Verurteilung der Lehrerinnen, die von der ursächlichen Diabeteserkrankung nichts wussten, für wahrscheinlich.
Nach den Ermittlungsergebnissen verstarb die seit ihrem siebten Lebensjahr an Diabetes Typ 1 leidende 13-jährige Schülerin während einer Klassenfahrt nach London an einem Herzinfarkt infolge einer Überzuckerung. Die Schülerin litt zuvor an Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Mitschülerinnen wiesen die Lehrerinnen mehrmals auf ihren Zustand hin, die Lehrerinnen holten aber nicht sogleich ärztliche Hilfe.
Die Schule wusste von der Erkrankung, ebenso die Lehrer, die die Schülerin unterrichteten. Die beiden die Klassenfahrt begleitenden Lehrerinnen kannten die Schülerin jedoch nicht aus dem Unterricht und wussten nichts von ihrer Erkrankung. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen ihre Unkenntnis aber vor und erhob Anklage wegen fahrlässiger Tötung.
Das LG lehnte die Anklage allerdings ab, weil die beiden Lehrerinnen als medizinische Laien auch bei Kenntnis der Diabeteserkrankung nicht hätten erkennen müssen, dass die Schülerin sofort ins Krankenhaus muss. Auf etwaige organisatorische Mängel bei der Vorbereitung der Studienfahrt komme es daher nicht an.
Lehrerinnen hätten als Organisatorinnen vorher nachfragen müssen
Das LG hatte die Anklage abgelehnt, auf die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft und des Vaters der Schülerin hat das OLG den LG-Beschluss aber aufgehoben und die Anklage zugelassen. Es sieht einen hinreichenden Tatverdacht gegeben. Die beiden Lehrerinnen hätten als Organisatorinnen der Klassenfahrt ihre Aufsichtspflicht verletzt, weil sie es unterließen, sich proaktiv über mögliche Erkrankungen der (minderjährigen) Schüler und Schülerinnen zu informieren.
Sie hätten laut OLG bei allen Schülern und Schülerinnen Vorerkrankungen oder gesundheitliche Besonderheiten schriftlich abfragen müssen. Dies wäre ihnen auch ohne Weiteres möglich gewesen, etwa bei der erfolgten Abfrage, ob sich die Kinder in London in Kleingruppen bewegen dürfen.
Die bloße Nachfrage nach gesundheitlichen Besonderheiten bei einer Informationsveranstaltung zur Klassenfahrt habe nicht genügt. Die Teilnahme daran sei freiwillig gewesen, auch sei nicht zu erwarten, dass alle Kinder vor der ganzen Klasse über mögliche Erkrankungen oder Behinderungen sprechen.
Pflichtverletzung für Tod auch kausal
Laut OLG war die Pflichtverletzung auch kausal für den Tod der Schülerin. Hätten die beiden Lehrerinnen von der Diabeteserkrankung gewusst, hätten sie die Symptome einordnen können und sofort ärztliche Hilfe rufen müssen. Wäre dies geschehen, hätte der Tod der Schülerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können, so das OLG. Nach Informationen der "Stuttgarter Zeitung" beginnt der Prozess am 17.01.2024.
zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.06.2023
Aus der Datenbank beck-online
OLG Düsseldorf, Erkrankung, Hauptverhandlung, Staatsanwaltschaft, Krankenhaus, Lehrer, Diabetes, Pflichtverletzung, Kenntnis, hinreichender Tatverdacht, BeckRS 2023, 15527 (ausführliche Gründe)