Bei einer Heirat auf dem Sterbebett spricht viel für eine Versorgungsehe, die keine Witwenrente zulässt. Obwohl das Gericht ihre Liebe anerkannte und das langjährig zusammenlebende Paar einander umfangreiche Vollmachten erteilt hatte, konnte eine Witwe das LSG Mecklenburg-Vorpommern nicht vom Gegenteil überzeugen.
Die Chancen einer Witwe, eine Hinterbliebenenrente zu erhalten, standen von vorneherein nicht gut. Da das Paar erst kurz vor dem Tod des Ehemanns geheiratet hatte, schwebte über ihr der Ausschlussgrund des § 65 Abs. 6 SGB VII: Danach ist ein Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der Regel ausgeschlossen, wenn die Heirat nach Eintritt des Versicherungsfalls erfolgt und der Partner innerhalb eines Jahres stirbt.
So war es auch im Fall der klagenden Witwe. Sie hatte ihren Mann am 23.12.2016 geheiratet, kurz zuvor hatte die Unfallversicherung eine Berufskrankheit bei dem Verstorbenen festgestellt. Bei der Diagnose im April 2016 war der - wohl durch den Kontakt mit Benzol bei der Schiffsinstandsetzung hervorgerufene - Blutkrebs schon weit fortgeschritten und der Patient wurde palliativ behandelt. Als Stichtag für den Eintritt des Versicherungsfalls wurde der 19.11.2015 bestimmt. Die Eheschließung im Dezember war eine Nottrauung im Krankenhaus, die drei Tage vorher noch verschoben werden musste, da die Ärzte nicht sicher waren, ob der Mann noch einmal aufwachen würde. Silvester 2016, nur acht Tage nach der Trauung, verstarb er dann.
Seine Frau berief sich darauf, dass hier ausnahmsweise keine Versorgungsehe im Sinn von § 65 Abs. 6 SGB VII vorgelegen habe: Sie hätten schon seit 2005 zusammengelebt und sich 2004 gegenseitig umfangreiche Vorsorgevollmachten erteilt. Die Hochzeit sei schon mehrfach geplant gewesen und sie seien im Urlaub im Ausland 2015 priesterlich getraut worden. Für sie sei nicht absehbar gewesen, dass ihr Mann kurzfristig sterben würde. Doch auch vor dem LSG-Mecklenburg-Vorpommern drang die Witwe mit ihrer Argumentation nicht durch.
Priestertrauung oder Touristenattraktion?
Die Richter gestanden ihr uneingeschränkt zu, dass sie ihren Mann aus Liebe geheiratet habe – die Eheschließung sei aber auch von rationalen Erwägungen geprägt gewesen und damit als Regelfall einer Versorgungsehe einzustufen. Ihren Vortrag empfanden die Sozialrichter dabei als erkennbar interessengeleitet: Der Gesundheitszustand des Ehemanns hätte, so das LSG, im Zeitpunkt der Trauung offenkundig kaum schlechter sein können.
Die Priestertrauung auf der Urlaubsreise habe sich erst auf Nachfrage der Versicherung als reine Touristenattraktion ohne rechtliche Wirkungen herausgestellt. Und dass sich das Paar 2004 anstelle einer Eheschließung gegenseitig sehr weitreichende, der Ehe angenäherte, notarielle Vollmachten ausgestellt habe, spricht aus Sicht der Richter eher gegen lange geplante Heiratsabsichten. Die Zweifel der Sozialrichter wurden zusätzlich dadurch genährt, dass der Verstorbene selbst Witwenrente für seine erste Ehefrau bezogen hatte, die bei einer neuen Ehe weggefallen wäre.
zu LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.07.2023 - L 5 U 39/18
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.08.2014 - L 13 R 3256/13, BeckRS 2014, 72048 (Keine Widerlegung bei langem eheähnlichen Zusammenleben statt Eheschließung)
LSG Mecklenburg-Vorpommern, Widerlegung der Vermutung der Versorgungsehe, NZS 2014, 231 (Keine Widerlegung bei offenkundig bevorstehendem Tod)
LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.05.2009 - L 8 R 162/07, BeckRS 2009, 69088 (Widerlegung bei ausreichender eigener Versorgung)