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Kein dauernder Wechsel des Lebensmittelpunkts für Kinder

BVerfG
Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat einst­wei­len ver­hin­dert, dass Kin­der in einem Fa­mi­li­en­ver­fah­ren er­neut ihren Le­bens­mit­tel­punkt wech­seln müs­sen. Sie soll­ten in drei Jah­ren nun zum drit­ten Mal gegen ihren Wil­len in den vä­ter­li­chen Haus­halt ver­bracht wer­den. Das BVerfG sah das Kin­des­wohl eher ge­wahrt, wenn sie trotz mög­li­cher­wei­se ein­ge­schränk­ter Er­zie­hungs­fä­hig­kei­ten der Mut­ter bis zur Haupt­sa­che­ent­schei­dung bei ihr blei­ben.

Eltern streiten um Aufenthaltsort der Kinder

Zwei Kinder, 7 und 12 Jahre alt, wurden nach der Trennung ihrer Eltern zu deren Spielball: 2020 erstritt sich der Vater das vorläufige Aufenthaltsbestimmungsrecht und vollstreckte es mithilfe von Polizei und Gerichtsvollzieher. Nachdem eine Gutachterin sich aber für den Verbleib bei der Mutter aussprach, kehrten die Kinder zu dieser zurück und das Familiengericht ordnete einen weitgehenden Umgang fast entsprechend eines paritätischen Wechselmodells an. Seit September 2022 gab es keine Umgangskontakte mehr, weil die Kinder nicht mehr zum Vater wollten. Der erwirkte wiederum im vorläufigen Verfahren ohne Anhörung der Beteiligten das Aufenthaltsbestimmungsrecht und holte sich die Kinder wieder mit Polizei und Gerichtsvollzieher zurück. Ein erst dann bestellter Verfahrensbeistand empfahl dem Gericht, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter zu übertragen, die Kinder gingen also wieder zur Mutter. Auf die Beschwerde des Vaters beschloss das Oberlandesgericht Köln wieder den Wechsel zum Vater. Jetzt erhob die Mutter Verfassungsbeschwerde zum BVerfG und rügte die Verletzung ihres Elternrechts – vorläufig mit Erfolg.

Folgenabwägung zugunsten der Kinder

Das BVerfG setzte die Entscheidung des OLG bis zur Entscheidung in der Hauptsache aus, um den Kindern einen weiteren Wechsel ihres Lebensmittelpunkts zum Vater zu ersparen. In dem vorläufigen Verfahren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gelangten die Karlsruher Richter im Wege der Folgenabwägung trotz von der vom OLG geäußerten Zweifel an den Erziehungsfähigkeiten der Mutter und mit Blick auf die Entfremdung vom Vater zu dem Schluss, dass der Verbleib der Kinder bei ihrer Mutter weniger belastend für sie ist als der erneute Wechsel in den väterlichen Haushalt – vor allem wenn er zum dritten Mal gewaltsam vollstreckt werden müsste. Mit der Vollstreckung des Herausgabeschlusses ginge auch die Nichtbeachtung des Selbstbestimmungsrechts der Kinder einher, was sich ebenfalls schädlich auf deren Persönlichkeit auswirke. Das OLG Köln habe den Wechsel auch nicht aus Gründen der Kindeswohlgefährdung angeordnet, sondern nur, um der Entfremdung vom Vater entgegenzuwirken (Beschl. v. 15.06.2023 - 1 BvR 1076/23).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

  • BVerfG, Abweichen von Sachverständigengutachten bei der Beurteilung einer Kindeswohlgefährdung, BeckRS 2021, 26469
  • BVerfG, Begründungsanforderungen an die Anordnung der Rückführung in eine Pflegefamilie, BeckRS 2021, 3376
  • Wenglarczyk, Grundzüge des Eilrechtsschutzverfahrens vor dem BVerfG nach § 32 BVerfGG, JuS 2021, 1024

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