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Richtervorlage zum Solidaritätszuschlaggesetz 1995 unzulässig

BVerfG
Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat eine Rich­ter­vor­la­ge des Fi­nanz­ge­richts Nie­der­sach­sen zur Frage der Ver­fas­sungs­kon­for­mi­tät des So­li­da­ri­täts­zu­schlag­ge­set­zes 1995 in der für das Streit­jahr 2007 gül­ti­gen Fas­sung (SolZG 1995) für un­zu­läs­sig er­ach­tet. Das FG habe die Vor­la­ge nicht aus­rei­chend be­grün­det, so das BVerfG. Das FG war in der­sel­ben Sache be­reits 2010 mit einer Vor­la­ge an das BVerfG ge­schei­tert.

SolZG 1995

Nach dem SolZG 1995 wird ein Solidaritätszuschlag von 5,5% der Bemessungsgrundlage als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer erhoben. Im Fall einer Veranlagung zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer bemisst sich der Zuschlag nach der nach § 3 Abs. 2 SolZG 1995 berechneten Einkommensteuer oder der festgesetzten Körperschaftsteuer. Die nach § 3 Abs. 2 SolZG 1995 ermittelte Einkommensteuer weicht von der festgesetzten Einkommensteuer nur insoweit ab, als abweichend von § 2 Abs. 6 EStG die Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG stets zu berücksichtigen sind. Weitere Abweichungen sind nicht vorgesehen.

FG Niedersachsen rief BVerfG an

In einem auf den Veranlagungszeitraum 2007 bezogenen Streit machte der Kläger gegen den festgesetzten Solidaritätszuschlag geltend, dieser dürfe, weil er eine Ergänzungsabgabe sei, nur ausnahmsweise und nicht auf Dauer erhoben werden. Eine erste Richtervorlage des FG Niedersachsen in der Sache scheiterte beim BVerfG 2010 mangels hinreichender Begründung. 2013 legte das FG dem BVerfG erneut die Frage vor, ob das SolZG 1995 in der für das Streitjahr 2007 geltenden Fassung verfassungswidrig ist. Nach seiner Ansicht verstößt § 3 SolZG 1995 (i. V. m. § 35 EstG bzw. § 34c EStG und § 26 KStG) gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da gewerbliche und nichtgewerbliche sowie inländische und ausländische Einkünfte ungerechtfertigt ungleich behandelt würden. Ferner stelle der Solidaritätszuschlag nach dem SolZG 1995 keine zulässige Ergänzungsabgabe im Sinne der Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG mehr dar. Die "Gesetzfortführungskompetenz" für den Solidaritätszuschlag sei im Streitjahr 2007 entfallen.

BVerfG: Verfassungsmäßigkeit des SolZG 1995 nicht hinreichend geprüft

Das BVerfG hat die Vorlage für unzulässig erachtet. Der Vorlagebeschluss lasse nicht hinreichend deutlich erkennen, dass das FG die Verfassungsmäßigkeit der vorgelegten Normen des SolZG 1995 sorgfältig geprüft hat. Für das BVerfG ist bereits das Vorliegen einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung gewerblicher und nichtgewerblicher sowie inländischer und ausländischer Einkünfte fraglich, da die Fortwirkung von einkommen- bzw. körperschaftsteuerlichen Ermäßigungen gerade dem Wesen einer Ergänzungsabgabe entspreche, worauf das FG überhaupt nicht eingehe. Jedenfalls aber habe das FG mögliche Rechtfertigungsgründe für die von ihm angenommene Ungleichbehandlung nicht sorgfältig geprüft. Es lasse verschiedene Aspekte in seiner Argumentation außer Acht (Vereinfachungszwecke, Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers, Problematik der internationalen Doppelbesteuerung).

Wegfall der "Gesetzfortführungskompetenz" nicht ausreichend begründet

Soweit das FG meine, der Solidaritätszuschlag nach dem SolZG 1995 stelle keine zulässige Ergänzungsabgabe im Sinne der Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG mehr dar, setze es sich insbesondere nicht mit einem BFH-Urteil von 2011 (BeckRS 2011, 95989) auseinander, rügt das BVerfG. Das BFH habe dort die Verfassungskonformität des SolZG 1995 im Streitjahr 2007 mit ausführlicher Begründung bejaht. Zudem begründe das FG seine Annahme, der Solidaritätszuschlag habe aufgrund der umfassenden und auf Dauer angelegten Steuerermäßigungen in den letzten Jahren entfallen müssen, - erneut - nicht hinreichend. Die aufgeführten punktuellen Steuersenkungen erreichten für sich betrachtet bei Weitem nicht den Umfang der jährlich durch den Solidaritätszuschlag erzielten Einnahmen in Höhe von über 10 Milliarden Euro und ließen daher nicht darauf schließen, dass die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag für den Bund entbehrlich gewesen seien. 

Entscheidungserheblichkeit nicht genügend dargetan

Weiter moniert das BVerfG, dass das FG die Entscheidungserheblichkeit der von ihm angenommenen Ungleichbehandlung für das Ausgangsverfahren nicht hinreichend darlege. Das FG hätte aufzeigen müssen, dass die Möglichkeit einer für den Ausgangskläger günstigen Neuregelung bestehe, falls das BVerfG § 3 SolZG 1995 kippen sollte. Daran fehle es. Laut BVerfG dürfte der Gesetzgeber hier aus Rechtsgründen an der Schaffung einer entsprechenden Regelung gehindert sein. Es bleibe unklar, wie eine einheitliche Entlastung aller Steuerpflichtigen bei der Erhebung des Solidaritätszuschlags aussehen könnte. Eine zusätzliche Belastung, die ausgeglichen werden könnte, existiere bei den nicht begünstigten Steuerpflichtigen gerade nicht. Eine Beseitigung der vom FG angenommenen Ungleichbehandlung erscheine nur durch Ausschluss der Anwendung der einkommen- und körperschaftsteuerrechtlichen Entlastungsregelungen im Rahmen des Solidaritätszuschlags möglich. Eine solche Regelung würde den Kläger des Ausgangsverfahrens jedoch in keiner Weise begünstigen, so das BVerfG (Bescl. v. 07.06.2023 - 2 BvL 6/14).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

  • BFH, Solidaritätszuschlag; Verfassungswidrigkeit; Befristung; Zeitablauf, BeckRS 2011, 95989
  • BVerfG, Verfassungsmäßigkeit des als Ergänzungsabgabe erhobenen Solidaritätszuschlags, BeckRS 2010, 53049

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