Wer als Promotionsstudentin in Eigenregie für die Dissertation eine Exkursion macht und dabei verunglückt, hat keinen Anspruch gegen die Unfallkasse. Voraussetzung für die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ist aus Sicht des Bundessozialgerichts eine versicherte Tätigkeit für die Hochschule. Zumindest müsse sie eine organisatorische Einflussmöglichkeit auf Zeit, Ort, Art oder Dauer der Fahrt haben.
Unfall einer Promotionsstudentin kein Arbeitsunfall
Im Rahmen ihrer geowissenschaftlichen Dissertation untersuchte die Studentin Höhlensysteme im Südharz und im südlichen Kyffhäuser. Sie war außerdem als Hochschulmitarbeiterin an der Uni beschäftigt. Im Unfallzeitpunkt führte sie in Eigenregie und auf eigene Rechnung für ihre Dissertation Untersuchungen in einem Alt-Bergwerk im Nordharz durch. Hierbei stürzte sie in einen 15 Meter tiefen Schacht und zog sich einen Berstungsbruch des LWK 1 zu, in dessen Folge eine Querschnittssymptomatik entstand. Die Unfallversicherung lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, auch das Sozialgericht Halle wies die hiergegen erhobene Klage ab. Gegen das Urteil legte die Studierende erfolglos vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung ein und erhob dann die Revision vor dem Bundessozialgericht – ebenfalls ohne Erfolg.
Exkursion nicht von versicherter Tätigkeit erfasst
Der Unfall war laut den Bundesrichtern kein Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII. Der versicherten Tätigkeit als Promotionsstudierende sei die Fahrt ins Nordharz nicht zuzurechnen, weil die Befahrung des Alt-Bergwerks nicht im organisatorischen Verantwortungsbereich der Hochschule erfolgte. Die Universität habe noch nicht einmal organisatorische Mitverantwortung im Sinne einer Einflussmöglichkeit auf Zeit, Ort, Art oder Dauer der Tätigkeit für die Erkundung des Alt-Bergwerks übernommen. Vielmehr hatte die Studentin dem BSG zufolge die Exkursion eigeninitiativ, völlig frei, selbstständig und auf eigene Rechnung organisiert, ohne dass der Hochschule oder Fakultätsangehörigen Zeit, Ort und Dauer der Expedition bekannt waren. Daher sei die Verunglückte, die sowohl als Studierende als auch als Hochschulbeschäftigte grundsätzlich zum versicherten Personenkreis nach den §§ 2 ff. SGB VII gehöre, bei dieser konkreten Fahrt nicht über die Hochschule versichert gewesen. Da sie auch kein Geschäft der Uni habe besorgen wollen, habe sie auch nicht als "Wie-Beschäftigte" nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII versichert sein können.
Keine Aufenthaltsversicherung kraft Satzung
Auch eine Aufenthaltsversicherung kraft Satzung der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie scheidet nach Ansicht des BSG aus. Dass sich die Klägerin als Doktorandin auf der Unternehmensstätte des Alt-Bergwerks im Auftrag oder mit Zustimmung des (gegebenenfalls bergrechtlich verantwortlichen) Unternehmers aufgehalten haben könnte, sei weder tatrichterlich festgestellt noch sonst erkennbar (Urt. v. 22.06.2023 - B 2 U 19/21 R).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- Nusser, Unfallversicherungsschutz einer Promotionsstudentin, NZS 2022, 394 (Anmerkung zur Vorinstanz)
- BSG, Unfallversicherung, Hochschulsport, BeckRS 2015, 66824
- Krämer/Seiwerth, Schwerpunktbereich Arbeits- und Sozialrecht: Der Arbeitsunfall, JuS 2013, 203