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Tübingen darf Verpackungssteuer erheben

BVerwG
Die Tü­bin­ger Ver­pa­ckungs­steu­er ist trotz teil­wei­ser Rechts­wid­rig­keit ein­zel­ner Sat­zungs­be­stim­mun­gen nicht zu be­an­stan­den. Eine Er­he­bung ört­li­cher Ver­brauchs­steu­er auf Ein­weg­ver­pa­ckun­gen, -ge­schirr und -be­steck für den Vor-Ort- oder Take-away-Ver­zehr von Spei­sen und Ge­trän­ken werde durch die ver­schie­de­nen uni­ons- und bun­des­recht­li­chen Vor­ga­ben zum Ab­fall­recht nicht aus­ge­schlos­sen, ent­schied das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt.

Streit um kommunale Verpackungssteuer in Tübingen

Seit 01.01.2022 gilt in Tübingen materialunabhängig eine Steuer auf Einwegverpackungen. Damit sollen Einnahmen für den städtischen Haushalt erzielt, die Verunreinigung des Stadtbilds durch im öffentlichen Raum entsorgte Verpackungen verringert und ein Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen gesetzt werden. Besteuert werden Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck für den Vor-Ort- oder Take-away-Verzehr von Speisen und Getränken. Die Steuer beträgt für jede Einwegverpackung 0,50 Euro, für jedes Einwegbesteck(-set) 0,20 Euro. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist auf maximal 1,50 Euro begrenzt. Die Antragstellerin, die in Tübingen ein Schnellrestaurant betreibt, stellte erfolgreich Normenkontrollantrag. Der VGH Mannheim erklärte die Satzung insgesamt für unwirksam und begründete dies mit der fehlenden Örtlichkeit der Steuer, ihrer Unvereinbarkeit mit dem Bundesabfallrecht sowie der mangelnden Vollzugstauglichkeit der Obergrenze der Besteuerung. Hiergegen legte die Stadt Revision ein.

BVerwG kippt vorinstanzliche Entscheidung

Das BVerwG hat nunmehr die kommunale Steuer für überwiegend rechtmäßig erklärt. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz handele es sich bei der Verpackungssteuer um eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinn des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, für deren Einführung die Stadt Tübingen zuständig gewesen sei. Bei den zum unmittelbaren Verzehr, sei es an Ort und Stelle oder als "take-away", verkauften Speisen und Getränken sei der Steuertatbestand so begrenzt, dass ihr Konsum – und damit der Verbrauch der zugehörigen Verpackungen – bei typisierender Betrachtung innerhalb des Gemeindegebiets stattfinde. Damit sei der örtliche Charakter der Steuer hinreichend gewahrt.

Erhebung kommunaler Verpackungssteuer ist zulässig

Die kommunale Verpackungssteuer stehe als Lenkungssteuer auch nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Sie bezwecke die Vermeidung von Verpackungsabfall im Stadtgebiet und verfolge damit auf lokaler Ebene kein gegenläufiges, sondern dasselbe Ziel wie der Unions- und der Bundesgesetzgeber. Die Abfallvermeidung stehe in der Abfallhierarchie an oberster Stelle, wie sich aus der EU-Verpackungsrichtlinie, der EU-Einwegkunststoffrichtlinie, dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und dem Verpackungsgesetz ergebe; erst danach folgten Wiederverwendung, Verwertung und Beseitigung des Abfalls. Kommunale Steuern, die Einwegverpackungen verteuerten, würden durch die verschiedenen unions- und bundesrechtlichen Vorgaben zum Abfallrecht nicht ausgeschlossen. Die vom BVerfG vor 25 Jahren beanstandete Verpackungssteuer sei auf einer anderen Grundlage erhoben worden.

Satzung trotz teilweiser Rechtswidrigkeit gültig

Zwar erwiesen sich die zu unbestimmte Obergrenze der Besteuerung von 1,50 Euro pro "Einzelmahlzeit" (§ 4 Abs. 2 der Satzung) und das der Stadtverwaltung ohne zeitliche Begrenzung gewährte Betretungsrecht im Rahmen der Steueraufsicht (§ 8 der Satzung) als rechtswidrig. Diese punktuellen Verstöße ließen jedoch die Rechtmäßigkeit der Satzung im Übrigen unberührt (Urt. v. 24.05.2023 - 9 CN 1.22).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

  • VGH Mannheim, Kommunale Verpackungssteuer, BeckRS 2022, 7811 (Vorinstanz)
  • BVerfG, Kommunale Verpackungsteuer unzulässig, BeckRS 1998, 155269
  • Gern, Zur Verfassungsmäßigkeit der kommunalen Verpackungssteuer, NVwZ 1995, 771

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