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Anspruch auf Insolvenzgeld nach zweiter Insolvenzeröffnung

SG Gießen
Er­langt der Ar­beit­ge­ber nach Er­öff­nung eines ers­ten In­sol­venz­ver­fah­rens unter be­stehen­der Plan­über­wa­chung seine Zah­lungs­fä­hig­keit zu­rück und geht kurz nach Ver­fah­rens­be­en­di­gung wie­der in die In­sol­venz, be­steht An­spruch auf In­sol­venz­geld wegen des neuen In­sol­ven­z­er­eig­nis­ses. Dies hat das So­zi­al­ge­richt Gie­ßen ent­schie­den.

Streit um Zahlung von Insolvenzgeld

Der Kläger, der von Mai 2010 bis März 2020 und dann ab 01.07.2022 als Teamleiter der Elektrowerkstatt einer namhaften Maschinenfabrik beschäftigt war, begehrt die Zahlung von Insolvenzgeld. Am 27.11.2019 wurde ein Erstinsolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet und am 28.09.2020 wieder aufgehoben. Unter dem 16.11.2022 kam es erneut zu einem ein Insolvenzverfahren, weil die Beklagte die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld ablehnte. Zu diesem Zeitpunkt waren nur noch weniger als 2% des hinterlegten Betrages zur Auszahlung offen, da noch ein Gutachten des Pensionssicherungsvereins ausstand. Alle Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. Den am 06.12.2022 gestellten Antrag auf Insolvenzgeld lehnte die Beklagte ab, weil kein erneutes arbeitsförderungsrechtliches Insolvenzereignis eingetreten sei.

SG bejaht Anspruch ab zweiter Insolvenzeröffnung

Das Sozialgericht hat der Klage auf Zahlung des Insolvenzgeldes stattgegeben. Der Kläger habe einen Anspruch gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III, da mit der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens ein tatbestandliches Insolvenzereignis eingetreten sei. Das erste Insolvenzereignis aus 2019 habe keine Sperrwirkung entfaltet. Im Fall des Aufeinanderfolgens mehrerer Insolvenzereignisse sei für den Anspruch auf Insolvenzgeld zwar grundsätzlich das zeitlich erste für den Insolvenzgeldanspruch maßgebend. Dies gelte aber nicht, wenn der Arbeitgeber zwischenzeitlich die Fähigkeit wiedergewonnen habe, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen.

Zahlungsfähigkeit nach erster Insolvenz wiedererlangt

Hierfür spreche vorliegend eine Sondertilgung von über 1,2 Millionen Euro Ende 2021 auf ein erst 2020 aufgenommenes Darlehen über mehr als 2 Millionen Euro. Im Übrigen sei es arbeitsförderungsrechtlich geboten, Insolvenzgeld auch bei laufender Planüberwachung nicht von vornherein auszuschließen. Denn bei einer laufenden Sanierung bestünde sonst die Besorgnis, dass die Arbeitnehmer abwandern, da sie Gefahr laufen, bei Scheitern der Sanierung auf ihren Arbeitsentgeltansprüchen ersatzlos sitzen zu bleiben (Urt. v. 15.05.2023 - S 14 AL 4/23).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

  • BSG, Kein Eintritt eines neuen Insolvenzereignisses, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers noch andauert, BeckRS 2015, 69368

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