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Steinmeier zu Paulskirchen-Jubiläum: Als Untertanen zu Bürgern wurden

Redaktion beck-aktuell (dpa)
Vor 175 Jah­ren trat in der Frank­fur­ter Pauls­kir­che die Na­tio­nal­ver­samm­lung zu­sam­men, um eine frei­heit­li­che Ver­fas­sung für Deutsch­land zu er­ar­bei­ten. "Es war der Mo­ment, als Un­ter­ta­nen zu Bür­gern wur­den", so Bun­des­prä­si­dent Frank-Wal­ter Stein­mei­er in sei­ner Fest­re­de. Er sprach von einem un­er­setz­li­chen Schritt auf dem lan­gen Weg zu De­mo­kra­tie. Das Ju­bi­lä­um zu fei­ern sei auch ein "Zei­chen gegen die Ver­äch­ter un­se­rer par­la­men­ta­ri­schen De­mo­kra­tie".

Rechtsextremisten haben "kein Recht auf Schwarz-Rot-Gold"

In seiner Rede hielt Steinmeier ein Plädoyer für die demokratischen Prozesse: "Das Recht zu wählen wurde mit dem Einsatz des Lebens erkämpft." Die Jahre 1848/49 seien schwierige Lehrjahre der Demokratie gewesen, betonte das Staatsoberhaupt angesichts der Herausforderungen, vor denen die Mitglieder der Nationalversammlung standen. Die Verfassung war niemals in Kraft getreten. Damals seien auch jene Gegenkräfte hervorgerufen worden, "die uns bis heute vor große Herausforderungen stellen", so Steinmeier. Der Bundespräsident wandte sich gegen die Instrumentalisierung des Erbes der Nationalversammlung und der Revolution von 1848 durch diejenigen, die mit deren Werten nichts gemeinsam haben: "Auf Schwarz-Rot-Gold kann sich deshalb heute nicht berufen, wer neuen Nationalismus schürt und autoritäres Denken propagiert. Wer unsere Demokratie verachtet, hat kein Recht auf Schwarz-Rot-Gold."

Europäische Identität mit Blick auf Ukraine wichtiger denn je

Steinmeier erinnerte daran, dass der revolutionäre Aufbruch und Parlamentarismus des Jahres 1848 kein deutscher Einzelweg war, sondern dass es in vielen Ländern Europas ähnliche Bewegungen gab. Es sei an der Zeit, diese gemeinsame europäische Geschichte auch gemeinsam zu erzählen: "Auf dem Weg zu einer europäischen Identität (...) brauchen wir diese Erinnerung an eine gemeinsame Geschichte des Kampfes um Freiheit und Demokratie", sagte er. Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine könne nichts aktueller und notwendiger sein als diese Solidarität der Demokraten in Europa. "Wenn irgendwo Freiheit und Selbstbestimmung bedroht oder angegriffen werden, werden alle freien Menschen und Völker bedroht."

Bas betont Bedeutung von Kontroverse - und von Kompromissbereitschaft

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) betonte die Bedeutung von Kontroverse, aber auch von Kompromissbereitschaft und Dialog im Parlamentarismus. "Was unsere Demokratie definitiv nicht braucht, ist, wenn mit Lügen und Hass die Grundwerte unseres Zusammenleben untergraben werden", sagte Bas. Besorgt zeigte sie sich über Hass und Verachtung gegen Parlamentarier, die besonders dramatische Folgen hätten, wenn sich ehrenamtliche Kommunalpolitiker aus Angst zurückzögen. Es sei "richtig und wichtig", dass das Jubiläum der Paulskirche nicht nur mit einem Festakt, sondern auch mit einem Bürgerfest gefeiert werde, sagte der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Er erinnerte daran, dass weltweit für die meisten Menschen eine demokratische Verfassung weiterhin "der pure Luxus" sei - und er mahnte den langen und beschwerlichen Weg zu Gleichberechtigung und politischer Teilhabe von Frauen an: Erst rund 100 Jahre nach der Paulskirchenversammlung, in der Frauen nur stumme Beobachterinnen auf der Galerie gewesen seien, seien im Grundgesetz die gleichen Rechte für Männer und Frauen verankert worden.

18. Mai: Einsatz für Demokratie bleibt von großer Bedeutung

Die hessische Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) sagte: "Mit der ersten frei gewählten deutschen Nationalversammlung wurde vor 175 Jahren mit dem Ruf nach Freiheit, Demokratie und Menschenrechten das Fundament unserer heutigen Bundesrepublik gelegt." Sie hob die besondere Rolle des Föderalismus in Deutschland hervor. Der 18. Mai erinnere daran, "dass wir uns immer wieder aufs Neue für die Demokratie einsetzen müssen." An das Scheitern der Paulskirchenversammlung erinnerte der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef. "Die 1848er haben die Freiheit und die Demokratie verspielt", sagte er. "Ein solches Scheitern darf uns nie mehr passieren." Die Frankfurter Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner forderte ein kommunales Wahlrecht auch für die Ausländerinnen und Ausländer ohne EU-Pass, die seit längerem in Deutschland leben. "Seien wir mutig. Seien wir großzügig. Teilen wir unsere Demokratie mit den Menschen, die in unseren Städten und Gemeinden leben", sagte sie.

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

  • Linke, Kontinuitätslinien und "historische Erbschaften" im Grundgesetz, JA 2023, 353

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