Das Internet vergisst so schnell nichts. Die Google-Suche kramt alte Geschichten – zum Leidwesen der Betroffenen – immer wieder hervor – ob sie nun stimmen oder nicht. Zu der Frage, unter welchen Bedingungen Suchmaschinen-Betreiber zum Löschen der Treffer verpflichtet sind, wird es bald ein höchstrichterliches Urteil aus Karlsruhe geben. Der Bundesgerichtshof prüfte gestern bereits zum zweiten Mal den Fall eines Paares aus der Finanzdienstleistungsbranche, das sich im Internet in Misskredit gebracht sieht.
Urteil soll in den nächsten Wochen fallen
Die Kläger wollen erreichen, dass mehrere kritische Artikel über ihr Anlagemodell nicht mehr als Treffer auftauchen, wenn man bei Google nach ihren Namen sucht. Die Texte waren auf einer US-amerikanischen Internetseite veröffentlicht worden. Das Unternehmen hinter dieser Seite war wiederum Vorwürfen ausgesetzt, es lanciere gezielt negative Berichte, um die Betroffenen später damit zu erpressen. Google hatte sich geweigert, die Links zu den Artikeln zu entfernen. Man könne nicht beurteilen, ob an den Vorwürfen etwas dran sei. Das Urteil soll in den nächsten Wochen verkündet werden.
EuGH gibt EU-weit einheitliche Standards vor
Für den Datenschutz gibt es EU-weit einheitliche Standards. Deshalb hatten sich die BGH-Richter nach einer ersten Verhandlung 2020 an den Europäischen Gerichtshof gewandt. Sie wollten insbesondere wissen, ob Google in solchen Fällen in eigener Verantwortung Nachforschungen anstellen muss – mit dem Risiko, dass dann womöglich lieber ein Bericht mehr als einer zu wenig blockiert werden dürfte. Seit Dezember liegt nun das Luxemburger Urteil vor (NJW 2023, 747). Danach gibt es keine Pflicht des Suchmaschinen-Betreibers, aktiv nachzuforschen. Der Betroffene hat selbst nachzuweisen, dass die Informationen über ihn offensichtlich unrichtig sind. Gelingt ihm das, muss Google die Links zu den beanstandeten Inhalten aber entfernen.
Google könnte im konkreten Fall obsiegen
Nun ist es Sache der BGH-Richter, diese Vorgaben auf den konkreten Fall anzuwenden. Hier hatte das Kölner Oberlandesgericht 2018 entschieden, dass Google die beanstandeten Texte größtenteils weiter anzeigen darf (GRUR-RS 2018, 53040). Die Kläger hätten eine offensichtliche Rechtsverletzung nicht auf die erforderliche Weise dargelegt. Der Vorsitzende Richter am BGH, Stephan Seiters, deutete an, dass dies für seinen Senat wohl mit den EuGH-Vorgaben in Einklang steht.
Längere Diskussion über "Thumbnails"
Länger diskutiert wurde über die kleinen Vorschaubilder ("Thumbnails"), die bei der Google-Suche neben Links in der Trefferliste auftauchen. Die Kläger wehren sich gegen bestimmte Bilder aus einem der Artikel, die sie unter anderem im Cabrio oder bei einem Hubschrauber-Flug zeigen – angeblich ein Beleg dafür, dass "Hintermänner und Initiatoren" in Luxus schwelgen würden. Hier pochten die Google-Anwälte darauf, dass die Motive nicht generell zu löschen seien, sondern höchstens dann, wenn sie mit dem Link zu dem beanstandeten Artikel hinterlegt sind. Ein Totalverbot sei nicht rechtens, weil es Google zur aktiven Filterung zwinge.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- Grisse, Aus der Rechtsprechung des BGH, BVerfG, EuGH und EGMR zum privaten Medien- und Datenschutzrecht im Jahr 2022, GRUR 2023, 521
- EuGH, Pflicht zur Auslistung bei offensichtlich unrichtigem Inhalt – Google, NJW 2023, 747
- OLG Köln, Keine proaktive Prüfungspflicht eines Suchmaschinenbetreibers, GRUR-RS 2018, 53040
- Demuth, Mensch gegen Suchmaschine - Vergessen als gutes Recht, DRiZ 2015, 202
- Sofiotis, Das Recht auf Vergessen im Spannungsfeld von Datenschutz und Informationsfreiheit, VR 2015, 84
- EuGH, Anspruch auf Datenlöschung gegenüber Google, BeckRS 2014, 80862