Deutschland droht einem Gutachten zufolge eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verstößen gegen EU-Naturschutzrecht. Die Bundesrepublik habe für eine Reihe von Naturschutzgebieten keine Erhaltungsziele festgelegt, sagte die Generalanwältin Tamara Capeta in ihrem Schlussantrag in Luxemburg. Damit verstoße Deutschland gegen seine Verpflichtungen aus EU-Recht. Ein Urteil in dem Fall wird in einigen Monaten erwartet.
EU-Kommission: Zu wenige Erhaltungsziele festgelegt
Hintergrund ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Erhaltung natürlicher Lebensräume und zum Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen. Kern ist die Ausweisung von Schutzgebieten in den EU-Staaten. Dazu gehören sogenannte Erhaltungsziele, um den Bestand von Arten zu schützen oder wiederherzustellen. Deutschland hat nach Ansicht der EU-Kommission nicht genügend dieser Erhaltungsziele festgelegt, weswegen sie die Bundesrepublik in einem Vertragsverletzungsverfahren verklagt hat.
Bei Verurteilung drohen hohe Strafzahlungen
Das Gutachten des EuGH gab der EU-Kommission nun teilweise Recht. Deutschland habe für 88 der 4.606 in Rede stehenden Gebiete keine Erhaltungsziele festgelegt und damit gegen seine Verpflichtung aus der entsprechenden Richtlinie verstoßen. Die restlichen Rügen der EU-Kommission werden in dem Gutachten jedoch zurückgewiesen. Auch gegen andere Länder klagt die EU-Kommission derzeit in ähnlichen Fällen. Im Fall einer Verurteilung Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof drohen hohe Strafzahlungen (Schlussanträge v. 20.04.2023 - C-116/22).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- Köck, Der Umgang mit wissenschaftlicher Unsicherheit in der Rechtsprechung zum EU-Naturschutzrecht, ZUR 2022, 259