Am 23.03.2023 ist zum zweiten Mal der Horst-Sendler-Preis des Bundesverwaltungsgerichts verliehen worden. Der Preis, der herausragende wissenschaftliche Leistungen auf den Gebieten des Allgemeinen Verwaltungsrechts, des Verwaltungsprozessrechts sowie der Institution der Verwaltungsgerichtsbarkeit auszeichnet, ging an die Wissenschaftlerin Mariamo Katharina Ilal sowie an die Wissenschaftler Jonas Plebuch und Simon Pielhoff.
Auszeichnung für Analyse des Geheimhaltungskonflikts im Verwaltungsprozess
Ilal habe den Preis in der Klasse "Monographien" für ihr Werk "Der Geheimhaltungskonflikt im Verwaltungsprozess" erhalten, so das BVerwG. Die an der Humboldt-Universität Berlin entstandene Dissertation untersuche, wie im Verwaltungsprozess mit Akten umzugehen ist, die – aus welchen Gründen auch immer – anderen Prozessbeteiligten nicht zur Kenntnis kommen sollen. Nach geltendem Recht entschieden nicht die für die Sachentscheidung zuständigen Richterinnen und Richter über die Geheimhaltungsbedürftigkeit, sondern ein Fachsenat (§ 99 VwGO). Bleiben die Akten geheim, entscheide der für die Sache zuständige Spruchkörper – notgedrungen – nach Beweislast. Ilal analysiere die Vorzüge und Mängel dieses Beweislastmodells und plädiere unter Berufung auf das Unionsrecht für ein Verwertungsmodell: Es erlaube dem Gericht den Zugriff auf die Akten, auch wenn nicht alle Beteiligten Einsicht nehmen könnten. Die Jury lobt die Überzeugungskraft dieser Lösung, die auf einer "sprachlich und gedanklich beeindruckenden Analyse" der tatsächlichen Konflikte um die Geheimhaltung beruhe. Die Arbeit verliere nie die Praxis der Rechtsprechung aus den Augen und scheine deswegen – so die Jury – besonders geeignet, diese Praxis zu begleiten und zu verbessern.
Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsvergleichung im Verwaltungsrecht
Plebuch und Pielhoff wurden laut BVerwG in der Klasse "Aufsätze" für ihren Aufsatz "Verwaltungsstaat als Demokratieideal – Administrative State als Demokratiegefahr?" ausgezeichnet. Die Autoren betrachteten drei klassische Themen des Verwaltungsrechts: die Zulässigkeit unabhängiger Behörden, die Grenzen gerichtlicher Kontrolldichte und die Möglichkeiten administrativer Normgebung. Die Entwicklungen im deutschen und US-amerikanischen Verwaltungsrecht schienen sich anzunähern. Plebuch und Pielhoff zeigten jedoch, dass dieser Eindruck trügt – zu unterschiedlich seien die verfassungsgeschichtlichen Voraussetzungen und die politischen Kräfteverhältnisse. Denn anders als der Verwaltungsstaat in Deutschland sehe sich der administrative state in den USA teils fundamentaler Ablehnung gegenüber. Der Aufsatz öffne Augen für Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsvergleichung im Verwaltungsrecht. Sie könne nur gelingen, wenn sie über einzelne Fragen hinaus die großen Entwicklungslinien im Blick behält, und bedürfe daher steter, auch institutioneller Pflege, so die Begründung der Jury. Insgesamt nahmen an dem Wettbewerb 20 Bewerberinnen und Bewerber mit 18 Arbeiten teil.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- "Verwaltungsstaat als Demokratieideal – Administrative State als Demokratiegefahr?", LSK 2022, 33811995
- Plebuch, Die Wiederentdeckung grundrechtlicher Schutzbereiche in der Pandemie, JuS 2021, 316