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Ampel einigt sich auf Bundestagsverkleinerung

Redaktion beck-aktuell (dpa)
Seit Jah­ren wird um eine Ver­klei­ne­rung des Bun­des­tags ge­run­gen. Jetzt hat sich die Am­pel­ko­ali­ti­on ab­schlie­ßend ver­stän­digt. Da­nach soll der Bun­des­tag nach der nächs­ten Wahl von der­zeit 736 auf dau­er­haft 630 Ab­ge­ord­ne­te schrump­fen – und damit nicht ganz so stark wie ur­sprüng­lich ge­plant. Bei der Union und der Lin­ken regt sich be­reits Wi­der­stand. Ver­fas­sungs­kla­gen ste­hen im Raum.

Reform soll noch diese Woche Bundestag passieren

Ihren ersten Entwurf für eine Wahlrechtsreform hatte die Ampel-Koalition Ende Januar in den Bundestag eingebracht. Darin waren noch 598 Sitze im Bundestag vorgesehen. Diese Zahl wird nun auf den letzten Metern noch einmal erhöht, um die Zahl "verwaister Wahlkreise" zu verringern, aus denen kein direkt gewählter Abgeordneter ins Parlament entsandt wird. Der Änderungsantrag liegt der Deutschen Presse-Agentur vor, zuerst berichtete das Nachrichtenportal "Pioneer" darüber. Die Reform soll am Donnerstag oder Freitag im Bundestag verabschiedet werden.

Das dürfte der Linken missfallen: "Grundmandatsklausel" gestrichen

Neben der geänderten Parlamentsgröße enthält der Koalitionsantrag noch eine andere Änderung, die vor allem der Fraktion der Linken gegen den Strich gehen dürfte: Die sogenannte Grundmandatsklausel entfällt. Danach können bislang Parteien, die weniger als 5% der Zweitstimmen erhalten, trotzdem in den Bundestag einziehen, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnen. Diese Klausel kam bisher vier Mal zum Tragen: 1953 und 1957 profitierte die Deutsche Partei (DP) davon, 1994 die PDS und 2021 deren Nachfolgepartei Die Linke, die mit 4,9% der Zweitstimmen an der 5%-Hürde scheiterte, aber drei Direktmandate erzielte.

Überhangmandate haben für Rekordgröße gesorgt

Über die Reform wird seit Jahren diskutiert, weil die Mitgliederzahl des Bundestags zuletzt immer weiter gewachsen ist. 2021 erreichte sie die Rekordgröße von 736 Abgeordneten. Der Grund ist das deutsche Wahlsystem mit seinen zwei Stimmen. Mit der ersten kann man in seinem Wahlkreis – davon gibt es 299 – eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten direkt wählen. Über die Zweitstimme berechnet sich der Anteil der Sitze, den eine Partei im Bundestag bekommt. Stehen einer Partei über die Zweitstimme eigentlich weniger Sitze zu, als sie über die Erststimme Wahlkreise gewonnen hat, bekommt sie sogenannte Überhangmandate zugesprochen. Die anderen Parteien erhalten dafür wiederum Ausgleichsmandate.

Überhang- und Ausgleichsmandate sollen entfallen

Sowohl die Überhang- als auch die Ausgleichsmandate sollen nun wegfallen. Der Bundestag wird damit eine gesetzlich festgelegte Größe von 630 Abgeordneten haben. Die Zahl der Wahlkreise bleibt bei 299. Es werden aber 331 Mandate statt wie ursprünglich vorgesehen 299 über die Landeslisten vergeben. Damit soll die Zahl der Abgeordneten, die einen Wahlkreis über die Erststimmen gewinnen und trotzdem nicht in den Bundestag kommen, möglichst klein gehalten werden.

Union erwägt Verfassungsbeschwerde

Mit der Union konnten sich die Koalitionsfraktionen nicht einigen. Vor allem die CSU ist gegen die Pläne der Ampel. Notfalls werde es eine Verfassungsbeschwerde geben, kündigte CSU-Parteichef Markus Söder an. Die CSU profitierte bisher von den Überhangmandaten besonders, da sie traditionell fast alle der möglichen Direktmandate in Bayern gewinnt. Auf Bundesebene erreicht die CSU allerdings nur einstellige Prozentanteile, da sie außerhalb Bayerns im Rest der Bundesrepublik nicht auf dem Stimmzettel steht. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), schließt einen Gang nach Karlsruhe nicht aus. "In jedem Fall werden wir den Gesetzesvorschlag ablehnen im Deutschen Bundestag", sagte er. Wenn das Gesetz vorliege, werde die Union "auf dieser Grundlage prüfen, ob wir eine abstrakte Normenkontrolle anstrengen werden". Der stellvertretende CDU-Bundeschef und sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer sieht gar die Wurzeln der Demokratie in Gefahr. Niemand werde verstehen, wenn ein Kandidat seinen Wahlkreis gewinne und dann am Einzug in den Bundestag gehindert werde. "Das wird die Politikverdrossenheit weiter stärken."

Streichung der Grundmandatsklausel ruft Die Linke auf den Plan

Schließlich erwartet auch Linken-Chefin Janine Wissler eine Verfassungsbeschwerde gegen die geplante Wahlrechtsreform - allerdings wegen der geplanten Streichung der Grundmandatsklausel. Ihre Fraktion habe die Pläne allerdings noch nicht beraten und folglich auch noch nicht entschieden. Auf jeden Fall würde die Schrumpfkur Steuergelder sparen, die für Abgeordnetendiäten, Mitarbeiter, Büros und Reisen anfallen. Im Haushalt 2023 werden für den Bundestag Kosten von insgesamt rund 1,14 Milliarden Euro veranschlagt. 2018 waren es 974 Millionen Euro, 2016 laut Bundesfinanzministerium noch rund 857 Millionen Euro.

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

Hettlage, Fällt das Stimmensplitting, fallen auch die Überhänge, NJOZ 2021, 513

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