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Regelung zu Übergang von Anrechnungs- zu Halbeinkünfteverfahren ist erneut nachzubessern

BVerfG
Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat er­neut eine Re­ge­lung zum Über­gang vom An­rech­nungs- zum Halb­ein­künf­te­ver­fah­ren für ver­fas­sungs­wid­rig er­klärt. § 38 Abs. 5 und 6 KStG in Ver­bin­dung mit § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG in der Fas­sung des Jah­res­steu­er­ge­set­zes 2008 ver­sto­ße gegen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz. Der Ge­setz­ge­ber muss nun bis Ende des Jah­res rück­wir­kend nach­bes­sern.

Wohnungsunternehmen rügte ausschüttungsunabhängige Körperschaftsteuererhöhung

Ein Wohnungsunternehmen wandte sich gegen eine Übergangsregelung für den Systemwechsel vom körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren im Jahressteuergesetz 2008. Durch das JStG 2008 wurde mit § 38 Abs. 5 und 6 KStG eine pauschale ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des noch vorhandenen Eigenkapitaltopfes EK 02 eingeführt. Nach der Ausnahmeregelung des § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG in der Fassung des JStG 2008 konnten bestimmte Wohnungsunternehmen, zu denen die Beschwerdeführerin nicht zählt, sowie steuerbefreite Körperschaften die Weiteranwendung des bisher geltenden Rechts beantragen. Folge war eine Nachbelastung im Fall einer Ausschüttung während des (ursprünglich geregelten) 18-jährigen Übergangszeitraums. Das Beschwerde führende Wohnungsunternehmen wollte, dass das Finanzamt von der ausschüttungsunabhängigen Nachbelastung ihres EK-02-Bestandes absieht. Das Finanzamt lehnte dies ab und stellte zugleich einen Körperschaftsteuererhöhungsbetrag fest. Die Klage vor den Fachgerichten blieb erfolglos. Mit der Verfassungsbeschwerde rügte das Unternehmen unter anderem eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) durch die Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags.

§ 38 Abs. 5 und 6 KStG für sich genommen mit GG vereinbar

Die Verfassungsbeschwerde hatte teilweise Erfolg. Die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des EK 02 durch § 38 Abs. 5 und 6 KStG in der Fassung des JStG 2008 sei zwar für sich betrachtet nicht zu beanstanden, so das BVerfG. Sie sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Denn sie sei jedenfalls durch sachliche Gründe der Vereinfachung, der Behebung einer faktischen Ausschüttungssperre und des den Übergangsregelungen zugrunde liegenden – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden – Gedankens einer Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels gerechtfertigt. Die Steuerpflichtigen hätten schon unter dem Anrechnungsverfahren – jedenfalls dem Grunde nach – spätestens für den Zeitpunkt der Liquidation mit einer Nachbelastung des EK 02 rechnen müssen. Die Fortdauer der Nachbelastung des EK 02 unter dem Übergangsrecht trotz Wegfalls der Anrechnung beim Anteilseigner trage vor diesem Hintergrund dem berechtigten Interesse des Gesetzgebers an einer Gegenfinanzierung des von ihm angestrebten und gemäß Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen weitgehenden Erhalts des Körperschaftsteuerminderungspotenzials durch das Übergangsrecht Rechnung. Die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung sei danach jedenfalls insoweit gerechtfertigt, als es – wie im Fall der Beschwerdeführerin – bei einer Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels zu einer Verwendung des EK 02 gekommen wäre.

Nachbelastung liquiditätsschonend vorgenommen

Der Gesetzgeber habe die Nachbelastung liquiditätsschonend vorgenommen, indem er die Entrichtung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags auf zehn Jahre verteilt habe. Möglichen Verlusten seit der Feststellung der Endbestände des verwendbaren Einkommens gemäß § 36 KStG (in der Fassung des StSenkG) habe er typisierend dadurch Rechnung getragen, dass er rechnerisch nur 10% des verbliebenen EK-02-Bestandes der Ausschüttungsbelastung von 30% unterworfen und zudem die Körperschaftsteuererhöhung auf den Betrag begrenzt habe, der sich bei einer Vollausschüttung des Eigenkapitals laut Steuerbilanz am 31.12.2006 ergeben hätte.

Auch kein Verstoß gegen Grundsatz des Vertrauensschutzes

Die Regelung sei für sich genommen auch mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar. Die Umstellung auf die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung habe zwar eine unechte Rückwirkung mit belastender Wirkung, da sie jedenfalls solche Unternehmen belastet, die im maßgeblichen Zeitraum zwischen den Jahren 2007 und 2019 weniger als 10% des verbliebenen EK-02-Bestandes ausschütten wollten oder konnten.

Unechte Rückwirkung gerechtfertigt

Die unechte Rückwirkung sei aber gerechtfertigt. Zwar sei § 38 KStG in der Fassung des JStG 2008 an die Stelle einer Regelung getreten, die während des Übergangs vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren nur eine ausschüttungsabhängige Nachbelastung begrenzt auf einen bestimmten Übergangszeitraum vorgesehen habe. Die Änderung einer befristeten Übergangsvorschrift unterliege aber unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur dann besonderen Anforderungen, wenn sie ihrerseits aus Vertrauensschutzgründen erlassen worden sei. Das sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Dass der Zeitraum, in dem noch eine Nachbelastung habe stattfinden sollen, auf zunächst 15 und später 18 Jahre beschränkt worden sei, sei keine vertrauensschützende Maßnahme, sondern dem Umstand geschuldet, dass für die Körperschaftsteuerminderung und die Körperschaftsteuererhöhung ein einheitlicher Übergangszeitraum gelten sollte. Andere besondere Momente der Schutzwürdigkeit seien nicht ersichtlich, die Grenze der Zumutbarkeit für die Steuerpflichtigen sei gewahrt. Die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung durch § 38 Abs. 5 und 6 KStG in der Fassung des JStG 2008 sei auch mit dem Schutz des Eigentums und der allgemeinen Handlungsfreiheit vereinbar.

Ausnahmeregelung führt aber zu Gleichheitsverstoß

Laut BVerfG verstößt die Regelung aber in Verbindung mit dem in § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG in der Fassung des JStG 2008 vorgesehenen Antragswahlrecht bestimmter Körperschaften gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Die Ausnahmeregelung bewirke eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung von Körperschaften, die nicht gerechtfertigt sei. Zwar sei das Ziel einer Differenzierung anhand der Ausschüttungsneigung von Körperschaften, die noch über EK-02-Bestände verfügten, vor dem Hintergrund der intendierten Vereinfachung und Behebung einer faktischen Ausschüttungssperre verfassungsrechtlich legitim. Die gewählten Differenzierungskriterien seien dazu jedoch auch unter Berücksichtigung der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers ungeeignet. Mit den gewählten Kriterien könne ein typischer Fall nicht realitätsgerecht erfasst werden. Feststellungen zu einer unterschiedlichen Ausschüttungsneigung der privilegierten Körperschaften einerseits und der nicht privilegierten Körperschaften andererseits seien nicht getroffen worden. Hinreichende normative Anknüpfungspunkte für die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung lägen ebenfalls nicht vor.

Laufende Verfahren bis zu Neuregelung auszusetzen

Der Gesetzgeber sei nun verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß bis zum 31.12.2023 rückwirkend zu beseitigen. Diese Verpflichtung erfasse alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen, die auf den für verfassungswidrig erklärten Vorschriften beruhen. Bis zu einer Neuregelung dürften Gerichte und Verwaltungsbehörden die Normen im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren seien auszusetzen (BVerfG, Beschluss vom 07.12.2022 - 2 BvR 988/16).

Weiterführende Links

Zum Thema im Internet

Aus der Datenbank beck-online

  • BVerfG, Übergangsregelung zur Umgliederung des verwendbaren Eigenkapitals beim Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren im JStG 2010 mit GG teilweise unvereinbar, DStR 2023, 201
  • BVerfG, Verfassungswidrige Regeln für Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren bei Körperschaftsteuer, NZG 2010, 832
  • BVerfG, Verfassungswidrigkeit von Übergangsvorschriften beim Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren, DStR 2010, 434

Aus dem Nachrichtenarchiv

  • Körperschaftsteuer: Weitere Übergangsregel zu Systemwechsel gekippt, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 08.02.2023, becklink 2026075
  • Körperschaftssteuer: Übergangsregelung zu Systemwechsel teilweise verfassungswidrig, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 26.01.2023, becklink 2025954
  • BVerfG, Verfassungswidrigkeit von Übergangsvorschriften beim Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren, DStR 2010, 434

 

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