Ein Sicherungsverwahrter, der während eines viertägigen Krankenhausaufenthalts fast durchgängig gefesselt war, ist mit seiner Verfassungsbeschwerde erfolgreich gewesen. Die lange Fesselung habe ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, so das Bundesverfassungsgericht, das die instanzgerichtlichen Beschlüsse aufhob und die Sache zurückverwies.
Sicherungsverwahrter in Krankenhaus 96 Stunden gefesselt
Der Beschwerdeführer befindet sich in Sicherungsverwahrung und leidet unter verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Für vier Tage wurde er für eine OP in ein Universitätsklinikum gebracht. Während dieser Zeit war er, außer während der Vollnarkose, durchgängig gefesselt, entweder mit überkreuzten Händen oder per am Bettrahmen befestigter Fußfessel. Der Beschwerdeführer rügte die permanente Fesselung als menschenunwürdig und stellte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung und Eilrechtsschutz. Das Landgericht wies die Anträge zurück. Die Justizvollzugsanstalt habe mit Blick darauf, dass wegen der Sicherungsverwahrung mit noch unbestimmter Vollzugsdauer eine gewisse Fluchtmotivation bestehe, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen. Die Rechtsbeschwerde dagegen blieb ohne Erfolg. Anschließend wandte sich der Beschwerdeführer an das BVerfG.
BVerfG: Allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt
Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BVerfG hat die Beschlüsse von LG und Oberlandesgericht aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen. Die Beschlüsse verletzten den Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Dauer der Fesselung von 96 Stunden sei unverhältnismäßig gewesen. Die beiden Gerichte hätten prüfen müssen, ob alternative Maßnahmen ausgeschöpft worden seien. Laut BVerfG hätte es hier angesichts des mehrtägigen Krankenhausaufenthalts nahegelegen, die Fesselung jedenfalls phasenweise auszusetzen und – eine Fluchtgefahr unterstellt – in diesen Zeiträumen die Zahl der beaufsichtigenden Vollzugsbeamten zu erhöhen. Ferner sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich der Beschwerdeführer zuvor beanstandungsfrei verhalten hat und seine Erkrankungen eine Flucht erschwert hätten. Zudem hätten seine gesundheitlichen Belastungen eine besondere Rücksichtnahme und eine periodische Überprüfung seines Zustands erfordert. Die beiden Gerichte hätten Bedeutung und Tragweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verkannt (BVerfG, Beschluss vom 19.01.2023 - 2 BvR 1719/21).
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