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NVwZ Editorial

Turbo beim Umstieg auf Erneuerbare Energien?

Professor Dr. Sabine Schlacke, Universität Greifswald

13/2023

Das Umsteuern bei der Energieversorgung in Richtung Autarkie von russischen fossilen Energieimporten führte ua zu einem „neuen Deutschlandtempo“, so Bundeskanzler Olaf Scholz. Es kennzeichnet den kurzen Zeitraum von wenigen Monaten, innerhalb dessen auf der Grundlage des im Juni 2022 verabschiedeten LNG-Gesetzes die erforderlichen Infrastrukturvorhaben im Herbst zugelassen und zT bereits errichtet wurden. Dieses „Deutschlandtempo“ für Infrastrukturen fossiler (!) Energieträger steht im eklatanten Widerspruch zur Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien (EE), die etwa für Windenergieanlagen an Land nicht selten sieben Jahre in Anspruch nehmen. Um die nach dem Beschluss des BVerfG (NVwZ 2021, 951) zum Klimaschutz im Klimaschutzgesetz verschärften Klimaschutzziele zu erreichen, ist dies für die Transformation zu einer klimaneutralen Energieversorgung nicht zielführend. Deshalb hat der Gesetzgeber mit dem sog Osterpaket Mitte 2022 ein Legislativpaket erlassen, dessen Hauptziel eine Beschleunigung des Ausbaus von EE ist, etwa von Windenergieanlagen an Land. Hierzu sollen vor allem Änderungen des materiellen Fachrechts (EEG, EnWG, BNatSchG etc.) und der Erlass des Windenergieflächenbedarfsgesetzes beitragen. Dieser Paradigmenwechsel von verfahrensrechtlichen Beschleunigungsansätzen, die offensichtlich kaum Früchte getragen haben, hin zu einem materiell-rechtlichen Ansatz ist gekennzeichnet durch

– Priorisierung des Ausbaus erneuerbarer Energien (überragendes öffentliches Interesse),

– verbindliche Flächenziele für die Bundesländer für den Windenergieausbau an Land

und

– Vereinfachung durch Standardisierung (zB Abstandsregelungen für Windenergieanlagen).

Der Unionsgesetzgeber ist Ende letzten Jahres noch einen Schritt weiter gegangen, indem er mit der am 30.12.2022 in Kraft getretenen Notfall-Verordnung (EU) 2022/2577 den Mitgliedstaaten ua ermöglicht, bei der Errichtung von Windenergieanlagen in sog ToGo-Gebieten von einer UVP und Artenschutzprüfung abzusehen. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Absenkung des verfahrens- und materiell-rechtlichen Schutzniveaus umgehend durch den neuen § 6 Windenergieflächenbedarfsgesetz Gebrauch gemacht. Darüber hinaus hat er flankierend die Beschleunigungsschrauben im Rahmen des verwaltungsprozessualen Verfahrens durch eine umfängliche VwGO-Novelle nachgezogen. Ob diese Maßnahmen zielführend oder sogar unter Rechtsstaatlichkeitsgesichtspunkten bedenklich sind, wird sehr unterschiedlich beurteilt. Die Änderungen im Jahr 2022 werden in diesem Heft durch Beiträge von Ewer, Kment, Hendrischke sowie Bernotat und Ammermann, die die Vorträge der Jahrestagung der GfU dokumentieren, umfassend analysiert und bewertet. Als Gesamteindruck verbleibt: Der deutsche Gesetzgeber zielt mit den Maßnahmen des letzten und dieses Jahres auf eine verstärkte Beschleunigung des Ausbaus von EE und nutzt hierbei alle unional eröffneten Spielräume. Ob damit kollidierende Schutzansprüche, wie zB Artenschutz, in einem auch für den Klimaschutz notwendigem Ausmaß gewährleistet bleiben, ist abzuwarten. Jedenfalls wird sich der vom Präsidenten des BVerwG Andreas Korbmacher (in diesem Heft) festgestellte Befund für den Berichtszeitraum Ende 2021 bis Ende 2022, dass es ruhigere Zeiten – bezogen auf die Rechtsprechungstätigkeit des BVerwG – waren, in Zukunft wohl erheblich wandeln.

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