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NVwZ Editorial

„Heizungsgesetz“ – Mutiges Stoppsignal aus Karlsruhe

Professor Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis, Berlin

15/2023

„Jetzt ist mal Ruhe hier“! Der Ordnungsruf der Präsidentin des Bundestags, erteilt in der letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause kann auch als Label der Entscheidung des Zweiten Senats des BVerfG vom 5.7.2023 (2 BvE 4/23, BeckRS 2023, 16072 = NVwZ 2023 im nächsten Heft) dienen. Mit 5 zu 2 Stimmen gab der Senat im einstweiligen Verfahren dem Antrag von Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann statt, die 2. und 3. Lesung des „Heizungsgesetzes“ (GEG-ÄnderungsG) vorläufig zu untersagen, solange nicht allen Abgeordneten die wesentlichen Textpassagen des maßgeblichen Gesetzesentwurfs mindestens 14 Tage vorher schriftlich zugegangen sind. Das BVerfG verpflichtete den Bundestag die 2. und 3. Lesung nicht innerhalb der laufenden Sitzungswoche (27. Kalenderwoche) durchzuführen.

Der Abgeordnete Heilmann war alleiniger Antragssteller. Lediglich 11 Abgeordnete sind dem Antrag beigetreten. Nach der als Ausfluss der Geschäftsordnungsautonomie als autonomes Parlamentsrecht geltenden GO-BT wird der einzelne Abgeordnete als Teil des Verfassungsorgans deutscher Bundestag eingebunden in Gruppenrechte in der Gesetzgebung tätig, abgesehen vom Antragsrecht nach Art. 82 I 2 GG. Zudem bestimmt Art. 42 II GG, dass über Prioritäten und Ablauf der Gesetzesberatung der Bundestag mit Mehrheit entscheidet. 

Es ist zu begrüßen, dass das BVerfG das Recht auf parlamentarische Teilhabe an den Verhandlungen und den Beratungen des Bundestags (Art. 38 I GG) und den Anspruch auf diejenigen Informationen, die für einen sachverständige Beurteilung des Gesetzes erforderlich sind, gestärkt hat. Vor der Einbringung des Gesetzesentwurfs hatte der BMF im Kabinett zu Protokoll gegeben, dass er in dem Bewusstsein zustimme, dass die Fraktionen des Bundestags den Entwurf im parlamentarischen Verfahren intensiv beraten und auch weitere Änderungen vornehmen würden. Am 13.6.2023 veröffentlichten die Koalitionsfraktionen ein Papier mit dem Titel „Leitplanken zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes“, das vom Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion als Paradigmenwechsel bezeichnet wurde. Nach einer Formulierungshilfe des BMWK für einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen mit einer 94-seitigen Synopse des Entwurfs und Änderungsvorschlägen, sowie einer 14-seitigen Begründung und, einer 2. Anhörung am 3.7.2023, einer weiteren Ausschusssitzung am 5.7. sollte am 7.7. die 2. und 3. Lesung stattfinden. Dieses als „Schweinsgalopp“ kritisierte Verfahren hat das Gericht gestoppt. Wahrscheinlich auch deshalb, weil schon während der Coronapandemie das Verhältnis von Parlament und Regierung gelitten hatte. Die Häufung der Gesetzgebungsverfahren mit verkürzten Fristen hatten zuvor schon die Präsidentin des Bundestags und der Präsident des Bundesrats gerügt. Gleichwohl war geplant nach der Beschlussfassung im Bundestag am 7.7. auch noch den Bundesrat abstimmen zu lassen. Auch wenn es sich um ein Einspruchs- und kein Zustimmungsgesetz handelt, widerspricht eine solche Praxis der ureigensten Rolle des Bundesrates die Erfahrungen der Länder aus dem Gesetzesvollzug in die Gesetzgebung einzubringen.

Immerhin spricht es für die parlamentarische Kultur, dass in der turbulenten Debatte 7.7. der Geschäftsführer der SPD-Fraktion, also ein „Einpeitscher“, dem Abgeordneten Heilmann Respekt und außerordentlichen Dank für seine Initiative aussprach. Offen bleibt, ob das BVerfG im Hauptsacheverfahren (wenn es dazu kommt) die Verletzung des Rechts auf angemessene Beratung bejahen wird, ob das GEG inhaltlich verfassungswidrig ist und ob als Folge des Beschlusses die GO-BT geändert werden wird.

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