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NVwZ Editorial

Wehrpflicht reloaded – oder: Der Fragebogen

Rechtsanwalt Dr. Matthias Wiemers, Berlin

13/2024

Bundesverteidungsminister Boris Pistorius will nun junge Männer verpflichten, einen Online-Fragebogen über ihr Wehrinteresse auszufüllen, während junge Frauen dies freiwillig tun können. Der Jurist fragt sich sofort, ob diese hinsichtlich ihrer Pflichtigkeit geschlechterdifferente Befragung sozusagen ein wesensgleiches Minus zur Wehrpflicht darstellt. Bleibt man im Bild aus dem Zivilrecht, so müsste der erfolgreich ausgefüllte Fragebogen irgendwann nicht zum Vollrecht, sondern zur „Vollpflicht“ erstarken.

Seit Jahren wird über das Thema der Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert – zunächst mit dem Fokus auf einem Pflichtjahr (vgl. schon Wiemers/Petri RuP 2011, 221), in jüngster Zeit eher im Hinblick auf die „Kriegstüchtigkeit“ der Deutschen. Erstaunlich war der jüngste CDU-Bundesparteitag, der mit großer Mehrheit die schrittweise Rücknahme der Aussetzung der Wehrpflicht beschloss. Dabei will die CDU auch Frauen in die Pflicht mit einbeziehen, was auch Unionsfrauen nicht vollständig zu passen scheint. Indes: Die „Aussetzung“ erfolgte 2011 nicht zuletzt aufgrund einer seit langem nicht mehr gewährleisteten Wehrgerechtigkeit. Für die Verpflichtung von Frauen müsste zudem ausdrücklich das GG geändert werden. Und würde es geändert, wäre das Problem der Wehrgerechtigkeit tendenziell eher verschärft.

Namentlich die Union diskutiert das Thema schon länger und zwar mit dem Fokus auf der Notwendigkeit eines sozialen Pflichtjahrs für alle. Hier könnte man schon gar nicht die Frauen verschonen. Aber wie die Pflicht begründen? Vor etwa zwei Jahren kam jemand auf die Idee, man solle das Pflichtjahr über die Schulpflicht durchsetzen – ein ziemlich dummer Gedanke, jedenfalls auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick würden damit immerhin beide Geschlechter erfasst.

Spätestens seit der akuten Kriegsgefahr in Europa kann der Weg nur über die Wehrpflicht gehen. Es gilt dann, das Grundgesetz zu ändern und die Wehrpflicht auf alle jungen Leute zu erstrecken und in einem weiteren Schritt in geschickter Weise ein System von Ersatzdiensten zu entwickeln, das niemanden außen vor lässt (Die „Ausmusterung“ dürfte dann nicht auch befreiend für den Ersatzdienst wirken – möglicherweise ein rechtliches Problem). Warum das Ganze? Es geht nicht nur darum, dass wir wieder „kriegstüchtig“ werden (Boris Pistorius), sondern die Aussetzung der Wehrpflicht hat die Republik einer wichtigen Sozialisationsagentur beraubt. Im Großen und Ganzen kam man/n dort mit Menschen zusammen, denen man sonst nie begegnet wäre. Versagen Eltern seit langem in ihrer Erziehungsfunktion und können Schulen dies nicht kompensieren, dann schaffen es vielleicht zwölf Monate Dienst zu vermitteln, dass man als Bürger einer Republik Teil einer Gemeinschaft ist.

Neben der eigentlichen Wehrtätigkeit gilt es, neuen Herausforderungen zu begegnen, die sich aus dem Klimawandel und den sich daraus ableitenden Extremwetterereignissen speisen. Und wer eine Grundausbildung in Sanitätsdienst oder Pflege erhalten hat, überlegt es sich vielleicht, einen solchen Beruf zu ergreifen oder er (sie) wäre zumindest im Katastrophenfall kein potentieller Gaffer, sondern packte mit an. Das wäre doch ein großes Ziel – ein republikanisches.

Rechtsanwalt Dr. Matthias Wiemers, Berlin

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