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NVwZ Editorial

Die Informationsfreiheit – Leipzig schwerelos

Geschäftsführender Direktor des Instituts wida und LfDI BW a.D., Dr. Stefan Brink, Berlin

15/2024

„Dann hebt er ab und völlig losgelöst, von der Erde, schwebt das Raumschiff völlig schwerelos“ − man muss kein Fan unserer Bundes-Fußballmannschaft sein, um frei schwebende Helden à la Major Tom erleben zu dürfen. Fast mutet es so an, als habe sich der 6. Senat des BVerwG in seiner jüngsten Entscheidung zur Informationsfreiheit davon inspirieren lassen.

Worum geht es? Der 6. Senat des BVerwG hat in Sachen Informationsfreiheit Folgendes entschieden: Das Bürgerrecht auf Zugang zu amtlichen Informationen, gut verankert in Art. 5 I GG, wird ohne gesetzliche Grundlage unter den Vorbehalt gestellt, sich der Verwaltung gegenüber mit Namen und Wohnort identifizieren zu müssen. Der 6. Senat formuliert dabei Leitsätze, die dem einschlägigen Gesetz fremd sind: „Das IFG setzt voraus, dass die Behörde Kenntnis von der Identität des Antrag-stellers hat. Anonyme Antragstellungen oder Anträge unter einem Pseudonym sind unzulässig.“ (Zur Kritik vgl. Schoch, NVwZ 2024, 1172). Damit erschwert der Senat die Nutzung des Freiheitsrechts über Plattformen wie „FragDenStaat“ erheblich. Gleichzeitig verkennt der Senat einschlägige Bestimmungen wie § 1 II IFG: Nicht die Verwaltung bestimmt im Bereich der Informationsfreiheit die Kommunikationswege, sondern die Bürger. Aber wenn es schon nicht im Gesetz steht, dann beruft sich der Senat eben auf die Gesetzesbegründung, die „erkennen lässt, dass der Gesetzgeber von einer Pflicht zur Offenlegung der Identität des Antragstellers ausgegangen ist“ – soso. Verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebote werden dabei ebenso beiseite gewischt wie offensichtliche Vorlagepflichten zum EuGH aus Art. 267 AEUV – zwar sei alles komplex, es drohe gar die „Gefahr einer 'Verrechtlichungsfalle'“, aber es sei zugleich auch alles so klar, dass man den gesetzlichen Richter EuGH nicht bemühen müsse.

Neben der Informationsfreiheit gibt es auch andere Grundrechte, die aus Sicht des 6. Senats eine übertrieben große Rolle spielen, etwa der Datenschutz. Das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit ordnet der Senat offenbar auch jener Kategorie „geringfügiger“ Grundrechte zu, deren Verletzung nicht überbewertet werden sollte: In seinem „Revierderby“-Urteil vom 24.4.2024 (BVerwG, NVwZ 2024,1027 m. Anm. Ullrich/Hermes NVwZ 2024, 1033) verweigert der Senat einem Schalker Fußball-Ultra die Entscheidung über ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot in Dortmund mit der Begründung, seine Fan-Leidenschaft sei „nur“ von der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG geschützt, mithin läge ein „qualifizierter Grundrechtseingriff“ nicht vor, der den Schweiß der edlen Richter auch nach Erledigung des Verwaltungsakts noch wert sei. Hierzu zitiert der 6. Senat sodann nicht ohne Genuss zwar das BVerfG (v. 6.6.1989 − 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 (164 f.), aber lediglich mit dem abweichendeNeben der Informationsfreiheit gibt es auch andere Grundrechte, die aus Sicht des 6. Senats eine übertrieben große Rolle spielen, etwa der Datenschutz. Das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit ordnet der Senat offenbar auch jener Kategorie „geringfügiger“ Grundrechte zu, deren Verletzung nicht überbewertet werden sollte: In seinem „Revierderby“-Urteil vom 24.4.2024 (BVerwG, NVwZ 2024, 1027 m. Anm. Ullrich/Hermes NVwZ 2024, 1033) verweigert der Senat einem Schalker Fußball-Ultra die Entscheidung über ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot in Dortmund mit der Begründung, seine Fan-Leidenschaft sei „nur“ von der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG geschützt, mithin läge ein „qualifizierter Grundrechtseingriff“ nicht vor, der den Schweiß der edlen Richter auch nach Erledigung des Verwaltungsakts noch wert sei. Hierzu zitiert der 6. Senat sodann nicht ohne Genuss zwar das BVerfG (v. 6.6.1989 − 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 (164 f.), aber lediglich mit dem abweichenden Minderheitenvotum –  völlig schwerelos und daher eher ungewöhnlich.

Natürlich hatte Montesquieu Unrecht, als er die Gerichte als „pouvoir neutre“  und  „en quelque facon nul“ beschrieb − die Gerichte haben als 3. Gewalt durchaus etwas zu  sagen. Dass sie sich dabei aber vom Gesetz so lösen, wie das die Richterinnen und Richter  des Leipziger 6. Senats getan haben, muss uns Gerichts-Fans mit Sorge erfüllen.


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