Rechtsanwalt Prof. (Yeditepe Univ. Istanbul) Dr. Rolf Gutmann, Schorndorf
12/2024
Mit dem am 24.6.2024 in Kraft tretenden Staatsangehörigkeits-Modernisierungsgesetz
(s. dazu Geerdes NVwZ 2024, 711) hat die Ampel nach eigener Einschätzung mit der Verkürzung der Aufenthaltszeiten, die Voraussetzungen für eine Einbürgerung sind, sowie der Hinnahme mehrfacher Staatsangehörigkeit eine Anpassung an internationale
Standards vorgenommen. Eine Einbürgerung nach fünf Jahren (und in Ausnahmefällen
besonderer Integrationsleistungen unter Voraussetzung von Sprachkenntnissen auf dem Niveau C1, das nicht jeder Abiturient erreicht, nach drei
Jahren) führt nicht zur Beschleunigung, weil die behördliche Überlastung
mit einer regelmäßigen Verfahrensdauer von zwei bis drei Jahren wohl
nicht verkürzt werden wird. Mit ihrer Kritik haben die Oppositionsparteien deshalb viel Lärm um nichts entfaltet und die Neuregelung nur zum
Selbstzweck angegriffen. Die Hinnahme von Mehrstaatigkeit hätte eine
beträchtliche Entlastung der Behörden darstellen und zur Verfahrensbeschleunigung beitragen können. Der bisherige Zwang zur Entlassung aus
der Staatsangehörigkeit führte zur mehrfachen Prüfung der Voraussetzungen der Einbürgerung, die sowohl bei der Erteilung einer Zusicherung zur Einbürgerung
nach Entlassung erforderlich war als auch im Zeitpunkt der Entlassung selbst. Dazu gehören neben der erneuten Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts auch erneute
Nachfragen bei Sicherheitsbehörden, die eigentlich andere Aufgaben haben. Einer Verfahrensvereinfachung wird indes dadurch entgegen gewirkt, dass das Gesetz an verschiedenen Stellen handwerklich schlecht gemacht ist. So wird im neuen § 10 I StAG für die
Einbürgerung eine Klärung der bisherigen Staatsangehörigkeit vorausgesetzt, obwohl die
Einbürgerung ohne Entlassung aus der Staatsangehörigkeit erfolgen soll. Sinn und Zweck
dieses Relikts aus dem bisherigen Text sind nicht erkennbar und unbegründet. Aber ist
eine Abweichung vom Gesetzestext mit der Annahme eines gesetzgeberischen Versehens
hier zulässig?
In § 10 I 2 StAG wird ein Zusatz eingefügt, demzufolge antisemitisch, rassistisch oder
sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen mit der Menschenwürdegarantie
unvereinbar sind. Die tagespolitisch begründete Ergänzung und die Vorgabe des Schutzes
jüdischen Lebens in § 10 I 1 Nr. 1a StAG bergen die Gefahr in sich, dass dadurch andere
problematische Formen als unproblematisch erscheinen können. Mit der Formulierung,
dass es auf antisemitische Handlungen ankomme, könnte die bloße Äußerung entsprechender Gedanken unschädlich sein. Tatsächlich sind diese beiden Zusätze angesichts des
zu verlangenden Bekenntnisses zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung vollkommen überflüssig und bringen nur unnötige Interpretationsaufgaben.
Claritiy, simplicity and elegance, die nach Somerset Maugham Kennzeichen eines guten
Gesetzgebers sind, fehlen auch bei der erleichterten Einbürgerung, wenn Eltern nur wegen
ihrer Kinder den Lebensunterhalt nicht sichern können. Nach der Formulierung der Vorschrift sind in diesen Ausnahmefällen nur die Eltern begünstigt und die Kinder dürfen
nicht mit eingebürgert werden. Dabei beabsichtigte der Gesetzgeber beim Erwerb der
Staatsangehörigkeit keine Trennung der Familie. Deshalb wird die Praxis auch hier zu
Auslegungskünsten gezwungen werden.
Rechtsanwalt Prof. (Yeditepe Univ. Istanbul) Dr. Rolf Gutmann, Schorndorf