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NVwZ Editorial

Bau-Turbo oder Blame Game?

Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Thomas Schröer, LL.M. (Illinois), Frankfurt a.M.

7/2024

Wie schön, dass es für die gebeutelte Bauwirtschaft bald eine Trendwende geben wird, denkt man beim Lesen der frohen Botschaft, dass jetzt der Bau-Turbo kommt. Hierzu soll die im Maßnahmenpaket des Wohngipfels vom September 2023 gemachte Ankündigung der Bundesregierung umgesetzt werden, eine befristete Sonderregelung in das BauGB aufzunehmen, um den Wohnungsbau in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten anzukurbeln. Nach dem Gesetzentwurf können dort künftig Gebäude mit mindestens sechs Wohneinheiten in allen Baugebieten zugelassen werden, „wenn die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist“. Der Vorschlag ist an die bestehende Sonderregelung für Flüchtlingsunterkünfte angelehnt (§ 246 XIV BauGB) und klingt bestechend einfach.

Bei genauem Hinschauen zeigt sich indes, dass die Welt des Bauens doch nicht so banal ist, wie der Gesetzentwurf es suggeriert. Vielmehr ist absehbar, dass der angekündigte Bau-Turbo nicht funktionieren, sondern wohl eher als Rohrkrepierer enden wird. Die Gründe liegen auf der Hand, und man muss kein Stadtplaner sein, um das Offensichtliche zu erkennen:

Der Bau-Turbo kann nur mit Zustimmung der Gemeinde zünden. Die Kommunen werden im Regelfall aber nicht zustimmen, denn bei Anwendung des neuen § 246e BauGB erhalten sie von den Investoren keinen Folgekostenbeitrag, wie bei der Bauleitplanung mit Anwendung kommunaler Baulandbeschlüsse üblich. Die Städte werden daher im Eigeninteresse die Zustimmung verweigern und stattdessen klassische Bauleitplanung mit Abschöpfung des Bodenwertgewinns anbieten. Gegen die Verweigerung der Zustimmung können sich Investoren auch rechtlich nicht erfolgreich wehren, denn § 246e BauGB ist nur eine Ermessensvorschrift und soll keinen Rechtsanspruch gewähren.

Die Neuregelung wird auch Nachbarkonflikte auslösen, wenn im Gewerbegebiet neben einem emittierenden Betrieb Geschosswohnungsbau entsteht. Das wird absehbar zu erfolgreichen Nachbarklagen führen. Darauf wird sich kein Investor einlassen oder er muss die Nachbarrechte teuer abkaufen. Um das zu lösen, müsste (endlich) die TA Lärm geändert werden. Dazu sieht der Gesetzesvorschlag aber nichts vor, obwohl im Maßnahmenpaket des Baugipfels hierzu eine Experimentierklausel in der TA Lärm angekündigt war, die aber noch aussteht. Unabhängig davon ist es eine Schnapsidee, massiv Geschosswohnungsbau in Gewerbe- und Industriegebieten anzusiedeln. Dort ist die Wohnqualität unzumutbar und keinerlei soziale Infrastruktur vorhanden. Wohninseln mit Ghettocharakter würden entstehen.

Die Diskussion um den Bau-Turbo als Heilsbringer schürt also Hoffnungen, die so nicht erfüllbar sind. Das ist weder für die Bauwirtschaft noch für den Wohnungsmarkt gut und wird absehbar zu Frustrationen führen. Was steckt dahinter? 2025 ist Bundestagswahl und das sind die ersten Vorboten. Das unter Dauerfeuer stehende Wohnungsministerium könnte im Wahlkampf die miserablen Neubau-Fertigstellungszahlen damit rechtfertigen, dass der Bund die Behörden vor Ort mit allen Handlungsmöglichkeiten ausgestattet habe, diese Chancen aber nicht genutzt worden seien. So etwas nennt man aber Blame Game und nicht Bau-Turbo.

Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Thomas Schröer, LL.M. (Illinois), Frankfurt a.M.

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