Nach unserem Eindruck verliert sich langsam der Krisenmodus im Bewusstsein der Bevölkerung und auch der Branche, auch wenn nach wie vor die Warnstufe des Notfallplans Gas besteht. Aber es kehrt doch inzwischen zunehmend der Fokus der Energiewirtschaft und der energierechtlichen Rechtssetzung auf den so wichtigen Transformationspfad zur Klimaneutralität zurück. Viele Aufgaben stehen hier nun an. Dabei ist mit dem Wasserstoffkernnetz schon ein Anfang gemacht. Hingegen erscheint die Frage der Versorgungssicherheit angesichts der weiterhin fehlenden Kraftwerksstrategie immer drängender. Auch wird in diesem Jahr die Frage nach dem zukünftigen nationalen Regulierungsrahmen durch die Unabhängigkeit der BNetzA ein Thema bleiben, das ebenfalls – zumindest mittelbar – Auswirkung auf die Ausgestaltung dieses Prozesses haben wird.
Dementsprechend werden wir die Themen der EnK-Aktuell auch mit Beiträgen zur Transformation und zum Klimaschutz erweitern und „die Energiekrise“ aus dem Namen streichen. „EnergieKlima-Aktuell“ wird der Name nun lauten. Das eröffnet thematisch neue Sichtweisen und wir werden nun auch zukünftig das Klimaschutzrecht und Nachhaltigkeitsfragen so stärker berücksichtigen können. Die vertraute Abkürzung „EnK-Aktuell“ bleibt. Zugleich werden wir die schnelle Taktung zur akuten Krisenreaktion etwas modifizieren. Die EnK-Aktuell wird zukünftig alle drei Wochen erscheinen. Schreiben Sie uns gerne Ihre Gedanken dazu.
In dieser Ausgabe machen wir bereits den Anfang mit einem Beitrag von Prof. Dr. Walter Frenz zur Dekabonisierung nach dem Dubaier Klimagipfel (EnK-Aktuell 2024, 010282). Zu diesem verbreiterten Spektrum passt auch der Beitrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Sven-Joachim Otto und Rechtsanwältin Nina Jonen zum neuen Bürgerenergiegesetz NRW (EnK-Aktuell 2024, 010284) ebenso wie die Betrachtung des Batterie- Elektrofahrzeugsektors „post Brexit“ durch Rechtsanwalt Dr. Ulrich Spiegel (EnK-Aktuell 2024, 010287).
Die vollständige Umsetzung der neuen Ausrichtung, die sich in einem neuen Namen niederschlägt, erfolgt im Logo, der Webseite und bei Beck-Online zeitnah.
Aktuelles aus dem Bundestag
Noch Ende des Jahres 2023 wurde die Novelle des EnWG zur Neuordnung der Rolle der BNetzA im BGBl. am 28.12.2023 veröffentlicht. Die vielfältigen Neuerungen und die neuen Festlegungsbefugnisse der Behörde, die vielfach und weitgehend die Verordnungskompetenzen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ersetzen, werden sicherlich vielfach beschäftigen. So hat die BNetzA am 18.1.2024 bereits ein erstes Eckpunktepapier zur Weiterentwicklung der Kosten- und Anreizregulierung im Strom- und Gasbereich veröffentlicht. Die Regulierungsbehörde schlägt vor die Regulierungsperioden von fünf auf drei Jahre zu verkürzen. Die Verfahren sollen durch Pauschalierungen vereinfacht werden und der Katalog, der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten soll, reduziert werden. Stellungnahem zu dem Papier können bis zum 16.2.2024 abgegeben werden. Neu am Start ist auch die Große Beschlusskammer (GBK). Sie setzt sich aus dem Präsidium der BNetzA sowie den jeweils fachlich zuständigen Vorsitzenden der Beschlusskammern und Abteilungsleitungen aus dem Energiebereich zusammen. Die GBK ist zuständig für alle bundesweit geltenden Festlegungen zum Netzzugang und zur Ermittlung der Entgelte, regelt hingegen keine Einzelfestlegungen, wie etwa die Bestimmung von Erlösobergrenzen.
Am 18.1.2024 hat der Bundestag nun das 2. Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (BT-Drs. 20/9094 und 9612) beschlossen. Die Vorschriften des Teils 3 a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) die bisher bis zum 1.4.2025 befristet waren, werden verlängert. Dazu heißt es: Die Frage der Gewährleistung der Versorgungssicherheit stelle sich auch nach Ablauf dieses Datums, da die Lage an den Gasmärkten weiterhin volatil sei und bis zum Hochlaufen von Großteilen der Infrastruktur für die Aufbereitung und die Einspeisung von Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas, LNG) und anderen Maßnahmen zur Diversifizierung des Gasbezugs weiterhin Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen sowie entsprechende Maßnahmen für das Erreichen der Füllvorgaben erforderlich seien, um die Versorgungssicherheit im Erdgasbereich sicherzustellen. Die in § 49b EnWG 2022 geschaffene Möglichkeit für die Stromübertragungsnetzbetreiber, das Höchstspannungsnetz zeitweise höher auszulasten, ohne dass dies einer vorherigen energierechtlichen Genehmigung bedarf, wurde verlängert. Diese sog. temporäre Höherauslastung sei nach der bisherigen Rechtslage an das Erfordernis geknüpft gewesen, dass Kraftwerke aus der Netzreserve (sog. Netzreservekraftwerke) auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 50a EnWG, konkret der Stromangebotsausweitungsverordnung (StaaV) befristet am Strommarkt teilnehmen. Die Erlaubnis für Netzreservekraftwerke zur befristeten Teilnahme am Strommarkt gelte nur noch bis 31.3.2024. Die durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten Herausforderungen im Energiebereich dauerten jedoch über dieses Datum hinaus an. Es sei davon auszugehen, dass nicht nur der Winter 2023/2024, sondern auch der Winter 2024/2025 für den Strombereich große Anstrengungen erfordern werde. Eine möglichst einfach umzusetzende Höherauslastung des Höchstspannungsnetzes, wie sie § 49b EnWG derzeit erlaubt, sei deswegen auch für die Zeit nach dem 31.3.2024 notwendig.
Inzwischen wird jedoch bereits über ein drittes Gesetz zur Änderung des EnWG nachgedacht (BR-Drs. 590/23, BT- Drs. 20/10014). Baden-Württemberg hat in der Bundesratssitzung am 15.12.2023 einen entsprechenden Plenarantrag eingebracht. Es wird Änderungsbedarf beim Finanzierungskonzept für das Wasserstoffkernnetz gesehen. Auch soll eine fortlaufende Netzentwicklungsplanung etabliert und der notwendige rechtliche und regulatorische Rahmen gesetzt werden. Der Bundestag hat diesen Gesetzentwurf am 18.1.2024 inzwischen in erster Lesung beraten und in die Ausschüsse überwiesen.
Das Buzzword unseres ständigen Redaktionsmitglieds Prof. Dr. Franz-Alois Fischer widmet sich einer Neuregelung, nämlich dem Heizungstausch im Rahmen einer Bundesförderung (EnK-Aktuell 2024, 010288). Wir greifen dies auch in einer weiteren Meldung auf (EnK-Aktuell 2024, 010289).
Aktuelles aus Berlin und Brüssel
In dieser Woche läuft in Berlin mit der Handelsblattkonferenz Energie wieder eine der großen Energiekonferenzen im Konferenzkalender. Warten wir es ab, was dort ggf. Neues vom Bundeswirtschaftsminister verkündet wird. Wie schon einleitend erwähnt, ist die Frage der Kraftwerksstrategie ungelöst. Insbesondere auch die Frage, warum Investoren investieren sollen, wenn die Frage des Brennstoffeinsatzes und der Substituierbarkeit von Erdgas durch Wasserstoff weiter offen ist. Investitionen in 50 neue Gaskraftwerke (Hydrogen ready) müssen nun dringend angeschoben und die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass diese keine stranded investments werden. Der Bundeswirtschaftsminister wird sich auch zur Frage des Netzausbaus und insbesondere der Ertüchtigung von Netzen äußern müssen. Vor wenige Tagen erregte ARAL große Aufmerksamkeit. Das Unternehmen plant eine gewaltige Offensive in neue Ladesäulen, sieht sich aber mit einer nicht ausreichenden Netzinfrastruktur konfrontiert. Das hier Investitionen gerade auch in die Verteilernetze anstehen wird seit langem diskutiert. Die Rahmenbedingungen, die diese Investitionen ermöglichen, fehlen. Die von den Netzbetreibern oft gerügte nicht auskömmliche Kapitalverzinsung ist dabei nur ein Stolperstein. Hinzu kommen auch lange Genehmigungsverfahren. Stattdessen bleibt nur die Flucht in den § 14a EnWG, also die Möglichkeit zur Abregelung oder einer ratierlichen Kürzung von Ladevorgängen. Letzteres ist aus Gründen der Netzsicherheit wohl auch kaum anders lösbar. Die BNetzA kann hierzu eine Festlegung treffen. Der Maßnahmenkatalog des § 14a EnWG ist komplex. Insgesamt stößt die Regelung bei der Energiewirtschaft auf ein positives Echo.
Letzte Woche fand der Neujahrsempfang der Deutschen Energieagentur dena in Berlin statt. Geschäftsführerin Corinna Enders, seit zwei Monaten im Amt, moderierte die intensive Podiumsdiskussion zum Thema „Sicher und schnell: Resilienz in der der digitalen Energiewende“. Die Podiumsteilnehmer, darunter Vertreter des VKU und Verbraucherschützerin Ramona Popp, strahlten dabei erstaunlich viel Optimismus aus. Popp meinte, die Verbraucher würden bereits die Chance der Energiewende nutzen und dem positiv gegenüberstehen. Als Beispiel nannte sie dabei u. a. die Vielzahl an „Balkonkraftwerken“. Diese gute Stimmung wurde insgesamt natürlich gerne gesehen, dürfte aber von anderen Akteuren so nicht völlig geteilt werden. Gute Stimmung vergeht vielen sicherlich, wenn auf das Bürokratiemonster „Preisbremsen“ geschaut wird oder die aktuelle Preissituation im internationalen Wettbewerb betrachtet wird.
Das BMWK hat die zuvor am 1.12.2023 erlassene Antrags- und Bewilligungspause aufgehoben, die für alle Förderprogramme des BMWK im KTF verhängt worden war. Nun sind neue Anträge wieder möglich.
Die EU-Kommission hat die Förderung der grünen Stahlerzeugung im Saarland genehmigt. Die Fördermaßnahme dient auch den Zielen der EU-Wasserstoffstrategie. Die EU-Energieministerinnen und -minister haben sich am 19.12.2023 geeinigt, die drei EU-Notfall-Verordnungen für einen beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien, für Gassolidaritätsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und den sog. Marktkorrekturmechanismus gegen exzessive Gaspreise zu verlängern. Deutschland ist der erste Mitgliedstaat, der sich an dem neuen EU-System „Auctions-as-a-Service“ im Rahmen der Europäischen Wasserstoffbank beteiligt. Die EU-Kommission hat erste Schritte auf dem Weg zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien, Österreich und Polen unternommen, weil diese die Entwürfe der aktualisierten nationalen Energie- und Klimapläne für den Zeitraum 2021–2030 nicht vorgelegt hätten. Die EU-Kommission hat auch die mit über 900 Mio. EUR ausgestattete deutsche Beihilfemaßnahme zur Unterstützung von Northvolt beim Bau eines Werks für Elektrofahrzeugbatterien genehmigt.
Sollte es jemand vermissen: Was wäre ein Newsdienst ohne Hinweise auf Neuerungen zu den Energiepreisbremsen. Selbstverständlich gibt es zum neuen Jahr auch neue FAQ´s. Das BMWK hat diese als Version 12.1 vom 18.1.2024 veröffentlicht. Die Änderungen und Ergänzungen sind zahlreich. Sie betreffen u. a. auch die Ermittlung der krisenbedingten Mehrkosten und die EBITDA-Ermittlung, Mitteilungspflichten und nicht zuletzt, ob und inwieweit nachträglich weitere Entlastungen geltend gemacht werden können, wenn die endgültige Entlastungssumme oberhalb der bisher gewährten Entlastungen liegt. Dies wird für Gas und Wärme bejaht, für Strom hingegen verneint. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass nun die Frist für die „unverzügliche“ Erstellung der finalen Selbsterklärungen läuft (bis spätestens zum 31.5.2024).
Um zukünftig die breitere Aufstellung der EnK-Aktuell auch redaktionell besser begleiten zu können, freuen wir uns sehr darüber, dass unser Team zukünftig durch Prof. Dr. Susanne Wende von der Hochschule München sowie durch Rechtsanwalt Bernhard Burkert, LL. M. von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Berlin, verstärkt wird. Herzlich willkommen!
Herzliche Grüße
Boris Scholtka und Max Baumgart