CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
Zeitschrift für Datenschutz | Banner

Der Mehringer Bürgerentscheid zum Bau von Windenergieanlagen

Bernhard Burkert, LL. M. ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im öffentlichen Bau- und Planungsrecht im Berliner Büro der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

EnK-Aktuell 2024, 010302   Für breite Aufmerksamkeit hat im Januar ein Bürgerentscheid in der bayerischen Gemeinde Mehring gesorgt, mit dem sich eine Mehrheit der abstimmenden Bürger gegen den Bau eines Windparks wandte. Der folgende Beitrag geht der Frage nach, inwieweit der Bürgerentscheid ein taugliches Instrument zur Verhinderung von Windenergieprojekten sein kann. Die Betrachtungen beziehen sich auf das bayerische Landesrecht, sind aber auf vergleichbare Fallkonstellationen in anderen Bundesländern weitgehend übertragbar.

1. Ausgangslage

Bürgerentscheide sind häufig eingesetzte Instrumente, um Einfluss auf die politische Willensbildung von Gemeinden zu nehmen. Sie ermöglichen sie es Bürgern, anstelle des Gemeinderats über gemeindliche Angelegenheiten zu entscheiden und im Erfolgsfall ein Tätigwerden der Gemeinde zu verlangen. Bürgerentscheide können darauf gerichtet sein, Vorhaben zu initiieren und umzusetzen. Oftmals geht es den Initiatoren aber auch darum, unerwünschte oder als nicht erstrebenswert angesehene Maßnahmen oder Vorhaben zu verhindern.

Der zuletzt viel beachtete Bürgerentscheid in der Gemeinde Mehring richtete sich gegen den Bau von Windenergieanlagen als den Teil einer großen Windparkentwicklung auf Waldflächen der Bayerischen Staatsforsten. Er enthielt die Fragestellung: „Sind Sie dafür, dass die Gemeinde ihr gemeindliches Einvernehmen zur Baumaßnahme der Errichtung von Windkraftanlagen auf dem Gemeindegebiet Mehringer Forst verweigert und alle rechtlich zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreift, um die Errichtung von Windkraftanlagen im Gemeindegebiet zu verhindern?“ Diese Frage beantwortete die Mehrheit der Bürger der Gemeinde mit „Ja“.

Der Presseberichterstattung zu dem Fall ist zu entnehmen, dass sich der Bürgermeister der Gemeinde Mehring an den Bürgerentscheid gebunden sieht und ihn aus Respekt vor dem Bürgerwillen umsetzen möchte. Hingegen wollen die Bayerische Staatsregierung, die Bayerischen Staatsforsten und die Vorhabenträgerin den Bau von Windenergieanlagen auf dem Gebiet der Gemeinde Mehring ohne größere Abstriche weiterverfolgen.

2. Bindungswirkungen des Bürgerentscheids?

Fraglich ist vor diesem Hintergrund, ob der Bürgerentscheid einer Genehmigung der geplanten Windenergieanlagen nicht nur politisch, sondern auch rechtlich entgegenhalten werden kann.

Nach § 18a Abs. 1 BayGO können die Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger über Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren). Ein Bürgerbegehren muss bei der Gemeinde eingereicht werden und eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung und eine Begründung enthalten. Erreicht es das notwendige Unterschriftenquorum und wird es vom Gemeinderat zugelassen, wird ein Bürgerentscheid durchgeführt (Art. 18a Abs. 46 und 8 BayGO).

Die Genehmigung von Windenergieanlagen, die sich im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB richtet, ist keine Angelegenheit des gemeindlichen Wirkungskreises, sondern der Kreisverwaltungsbehörden (vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BayImSchG). Ein Bürgerentscheid, der die Verhinderung eines Windenergievorhabens zum Gegenstand hat, kann sich deshalb nicht auf das Genehmigungsverfahren selbst beziehen, sondern nur mittelbar auf die Genehmigungsentscheidung einwirken, indem von der Gemeinde die Versagung des für die Genehmigung erforderlichen Einvernehmens nach § 36 Abs. 2 S. 1 BauGB verlangt wird.

Anders als die Fragestellung des Mehringer Bürgerentscheids suggerieren mag, ist die Gemeinde in ihrer Entscheidung über die Erteilung oder Versagung des Einvernehmens jedoch nicht frei, sondern – wie die Genehmigungsbehörde im Rahmen der Genehmigungsentscheidung – an die Voraussetzungen des § 35 BauGB gebunden. Die Gemeinde kann deshalb eine Versagung des Einvernehmens nicht darauf stützen, dass das Vorhaben nicht ihren planerischen Vorstellungen entspricht. Ermessenspielräume können sich nur im Rahmen einzelner Zulassungsmerkmale eröffnen. Bei der Zulassung von Windenergievorhaben auf Grundlage des § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB sind solche Spielräume jedoch meist sehr gering.

Ob die Gemeinde Mehring nach diesen Maßstäben berechtigt wäre, das Einvernehmen zu der geplanten Windparkentwicklung zu versagen, ist nicht bekannt. Sollten die Genehmigungsvoraussetzungen für die geplanten Windenergieanlagen erfüllt sein, wäre für eine Versagung des Einvernehmens jedenfalls kein Raum. Der Bürgerentscheid liefe dann ins Leere. Eine rechtswidrige Versagung des gemeindlichen Einvernehmens wäre durch ihn nicht gedeckt, da von der Gemeinde nur rechtmäßige Maßnahmen verlangt werden können. Sollte der Bürgerentscheid auf eine rechtswidrige Versagung abzielen, dürfte er nicht vollzogen werden (Art. 59 Abs. 2 BayGO).

Sollte die Gemeinde die Zulässigkeit der geplanten Windenergieanlagen anders als die Genehmigungsbehörde beurteilen und darauf eine Versagung des Einvernehmens stützen, könnte dieses nach § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB durch die nach dem Landesrecht zuständige Behörde ersetzt werden. Dadurch würden die Rechtsfolgen der Versagung des Einvernehmens beseitigt.

Eine Ersetzung des Einvernehmens würde der Gemeinde dann die Möglichkeit eröffnen, gegen die Ersetzung Rechtsmittel einlegen und so eine gerichtliche Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der geplanten Windenergieanlagen herbeizuführen. Darauf zielt offenbar auch das in dem Bürgerentscheid enthaltene Verlangen ab, „alle rechtlich zur Verfügung stehenden Maßnahmen“ zu ergreifen, um die Errichtung von Windkraftanlagen zu verhindern.

Als weitere rechtliche Maßnahme zur Verhinderung des Windenergievorhabens wäre schließlich noch an eine Änderung der planungsrechtlichen Grundlagen zu denken, die eine Nutzung der Vorhabenflächen für Windenergiezwecke ausschließt. Eine solche Planung dürfte jedoch nicht auf die bloße Verhinderung der bislang auf den Flächen vorgesehenen Windenergieanlagen gerichtet sein. Im Übrigen erscheint eine Überplanung von Waldflächen der Bayerischen Staatsforsten für andere bauliche Zwecke auch sehr unwahrscheinlich.

3. Fazit

Der Fall der Gemeinde Mehring zeigt bei näherer Betrachtung, dass die Möglichkeiten, die Genehmigung von Windenergieanlagen durch einen Bürgerentscheid zu verhindern, sehr gering sind. Eine Beeinflussung der Genehmigungsentscheidung ist grundsätzlich nur durch eine Versagung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB möglich. Da das Einvernehmen nur aus den sich aus § 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden kann, sind die Spielräume dafür sehr klein. Die eigentliche Bedeutung des Bürgerentscheids dürfte deshalb im Bereich der Windenergie in seinen politischen Bindungs- und Signalwirkungen liegen.

Weiterführende Links

Vgl. auch Fischer EnK-Aktuell 2023, 010189 und Otto/Jonen EnK-Aktuell 2024, 010284.

Menü