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Dr. Max Baumgart/Dr. Boris Scholtka: Neue Impulse für den Klimaschutz

Max Baumgart und Boris Scholtka
EnK-Aktuell 2023, 01094 Seit unserer letzten Ausgabe sind zwei Wochen vergangen und wieder einmal ist viel im Energiebereich geschehen. Das „Hydrogen and Decarbonised Gas Market Package“ der Europäischen Union (EU) geht nach der formellen Befassung durch den Rat der EU in seine entscheidende Phase. Die Energiepolitik ist auch nach dem Koalitionsgipfel weiterhin eine Priorität der Bundesregierung. Aber auch die Gerichte müssen sich zunehmend mit Fragen rund um den Klimaschutz auseinandersetzen.

Im Bereich der Politik: Der Ausbau der Solarenergie bleibt zentraler Baustein einer effektiven Energiewende. Dies gilt sowohl für die nationale wie auch die europäische Ebene und bedarf einer Einbindung der Bürgerinnen und Bürger. Eric H. Glattfeld beleuchtet die aktuelle Photovoltaik-Strategie der Bundesregierung (EnK-Aktuell 2023, 01081). Wasserstoff gilt als Schlüsseltechnologie für das gleichzeitige Erreichen von Klimazielen und Gewährleistung der Energiesouveränität. Das Gesetzgebungsverfahren zum Hydrogen and Decarbonised Gas Market Package geht mit der Zustimmung des Rates der EU zur Eröffnung des Trilog-Verfahrens in die heiße Phase (EnK-Aktuell 2023, 01090). Besonders interessant wird es zu beobachten, wie sich die drei Institutionen in den Bereichen Entflechtung (Stichwort: horizontale Entflechtung des Betriebs von Wasserstoffnetzen) und der ENTSO-Kompetenz (Stichwort: ENTSO-G&H oder separater ENTSO-H für Wasserstoff) einigen. Im Trilog-Verfahren haben sich die Institutionen auf eine Neugestaltung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED III) geeinigt (EnK-Aktuell 2023, 01090). Auch das Heizungsverbot ist weiterhin Gegenstand der politischen Diskussion. Rechtlich gesehen spannen sich hier Fragen mit Bezug auf die Eigentumsgarantie, aber auch vor dem Hintergrund des Diskriminierungsverbots, aus Gründen des Alters, auf. Franz-Alois Fischer knüpft aufgrund der Aktualität des Themas mit dem Buzzword der Woche erneut an (EnK-Aktuell 2023, 01091). Till Theodor Meier vom Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wettbewerbsrecht, Energierecht, Regulierungsrecht und Arbeitsrecht der Universität Leipzig beleuchtet die Rechtslage und mögliche Entwicklung in Bezug auf die mögliche Einführung eines Industriestrompreises (EnK-Aktuell 2023, 01086). Auch erwähnenswert: Deutschland intensiviert seine Zusammenarbeit mit Lateinamerika beim Klimaschutz und beim Ausbau Erneuerbaren Energien (EnK-Aktuell 2023, 01089). Hiermit trägt die Bundesregierung zu einer weiteren Diversifizierung in Bezug auf den Import von Energie bei, soweit möglicherweise durch die Erzeugung und den Export von Wasserstoff in Uruguay neue Importketten geschaffen werden können. Mit der verstärkten Zusammenarbeit werden aber insbesondere die Anstrengungen zur Dekarbonisierung in Lateinamerika gestärkt, was nötig ist, um die globale Dimension des Klimawandels zu berücksichtigen. Mit dieser Ausgabe werfen wir erstmals auch einen Blick ins Land der Mitte: Valentin Kissling und Fan Yang von der Universität zu Köln diskutieren Chinas Beitrag zum Klimaschutz mit Bezug auf die Kohlestrategie des Landes (EnK-Aktuell 2023, 01084). China richtet seine Politik traditionell auf Wachstum aus. Der Klimaschutz scheint jedoch stärker berücksichtigt zu werden, als es oftmals aus europäischer Sicht erscheint.

Im Bereich der Rechtsprechung: Gerichte spielen eine zunehmend bedeutsame Rolle, um wirksamen Klimaschutz zu erstreiten. So erreicht der gerichtliche Streit um mehr Klimaschutz einerseits in der Gestalt von drei Klimaklagen den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EnK-Aktuell 2023, 01088). Dies war eigentlich nur eine Frage der Zeit, nachdem insbesondere das Bundesverfassungsgericht in 2022 bereits prominent urteilte. Andererseits wurde nun auch der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen angerufen, um zu begutachten, ob die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen (EnK-Aktuell 2023, 01087). Es bleibt abzuwarten, wie sich hier die Gerichte positionieren. Auswirkungen auf den Klimaschutz und die hierzu geführten Debatten dürften die Urteile in jedem Fall haben. Beide Gerichte werden das Klimarecht jedenfalls stark prägen. Am 14.2.2023 hatte das Landgericht Braunschweig, nicht ganz überraschend eine Klimaschutzklage gegen VW abgewiesen. Die Kläger wollten u. a. ein Verkaufsverbot von Autos mit Verbrennermotor ab 2030 erreichen. Auf einer anderen Ebene und gleichfalls bedeutsam, ist eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 2.3.2023: Die Entscheidung und die damit verbundene Frage, ob eine Strommenge bei unberechtigter Netzentnahme auf vorgelagerter Netzebene bilanziell noch zivilrechtlich dem Grund-/Ersatzversorger zuzuordnen ist, diskutieren David Wölting und Lilith Boos (EnK-Aktuell 2023, 01092). Bereits im letzten Jahr mussten sich Gerichte und Gesetzgeber mehrfach mit der Abgrenzung von Grund- und Ersatzversorgung als eine der zentralen Fragen des Energiezivilrechts beschäftigen.

Und last but not least ein lesenswerter Denkanstoß für den Umbau des Energiesystems: Als wären mit dem Fokus auf Klimaschutz und Versorgungssicherheit die Herausforderungen an das Energierecht nicht schon groß genug, betont ein Beitrag des Tilburg Institute for Law, Technology, and Society (TILT) die Aufgaben, denen sich das Energierecht aufgrund der zunehmenden Digitalisierung stellen muss: Merel Noorman, Brenda Espinosa und Saskia Lavrijssen untersuchen die Auswirkungen des Einsatzes von künstlicher Intelligenz in intelligenten Elektrizitätssystemen unter dem Gesichtspunkt der energy justice (EnK-Aktuell 2023, 01083).

Eine interessante Lektüre wünschen Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser

Max Baumgart und Boris Scholtka

Herausgeber EnK-Aktuell

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