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Dr. Max Baumgart / Dr. Boris Scholtka: Eigentum verpflichtet

Max Baumgart und Boris Scholtka
EnK-Aktuell 2023, 010116 Liebe Leserin, lieber Leser, mit der Einigung auf ein „Förderkonzept zum erneuerbaren Heizen“ beschließt die Bundesregierung auch die umstrittene Novelle des GEG (in dieser Ausgabe: EnK-Aktuell 2023, 010113). Mit § 71 Abs. 1 S. 1 des Entwurfs dürfen Heizungsanlagen zum Zweck der Inbetriebnahme in einem Gebäude nur eingebaut oder aufgestellt werden, wenn sie mindestens 65 % der mit der Anlage bereitgestellten Wärme mit Erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme erzeugen. Die Novelle soll ausweislich des Änderungsgesetzes am 1.1.2024 in Kraft treten. Sie mag nicht unerhebliche Belastungen für Eigentümerinnen und Eigentümer bringen, auch trotz angekündigter Fördermaßnahmen.

Die erste Reaktion einer Juristin oder eines Juristen mag lauten: „Eigentum verpflichtet!“ So steht es jedenfalls in Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG. Ein näherer Blick wirft schwerwiegende juristische Fragen auf, wie bereits Prof. Dr. Torsten Körber in der letzten Ausgabe in einem Beitrag pointiert aufzeigte (Körber EnK-Aktuell 2023, 01097). Der Regierungsentwurf scheint gegenüber dem Referentenentwurf nach einer kursorischen Durchsicht keine wesentlichen Änderungen zu enthalten, allerdings einige Klarstellungen. Beispielsweise enthält § 71 i Abs. 2 S. 2 GEG-Entwurf nunmehr die Regelung, dass das Einbauverbot nur dann nicht gelten solle, wenn bei Miteigentümern alle Eigentümer das 80. Lebensjahr vollendet haben. Die Wahl dieser Altersgrenze dürfte Fragen aufwerfen, ist aber nur ein Einzelbeispiel. Viele weitere wären zu nennen. Die Kritik am Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und insbesondere am zuständigen Minister Robert Habeck ist in der Öffentlichkeit in den letzten Tagen stark angewachsen. Eines darf bei aller inhaltlicher Kritik oder bei einem Diskussionsbedarf zu politischen Grundentscheidungen nicht übersehen werden: Der Ausstieg aus dem Erdgas ist bis 2045 vorgezeichnet und steht in Deutschland auch nicht zur nationalen Disposition, sondern ist Bestandteil der EU-Klimapolitik. Zudem werden auf EU-Ebene weitere Verschärfungen der Gebäudeenergieeffizienz hinzukommen. Im Gesetzesvorspann wird nicht ohne Grund auch auf soziologische Auswirkungen verwiesen, wenn Erdgaspreise weiter steigen. Andererseits sind die aktuellen Auswirkungen auf das Portemonnaie der Bürger bei vereinzelt sehr teuren und schwierigen Umbaumaßnahmen auch nicht gerade gering zu schätzen. Es läuft auf Abwägungsprozesse hinaus: Wer ist wann, wie und in welchem Umfang betroffen? Die kurzfristigen Einmalkosten sind auch laut Gesetzesbegründung erheblich, die (erwarteten) Vorteile ergeben sich (erst) über die Nutzungsdauer. Fragen der Verfügbarkeit und des technologischen Fortschritts kommen hinzu. Die EnK-Aktuell wird den weiteren Gesetzgebungsprozess begleiten, für den insbesondere die Freien Demokraten bereits Änderungen im Bundestag angekündigt haben (s. etwa die Berichterstattung hier).

Auf Tuchfühlung mit der Eigentumsgarantie geht die Bundesregierung auch mit den geplanten Änderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Hier soll mit einem neuen § 32 f die Entflechtung von Unternehmen angeordnet werden können. Die GWB-Novelle hat durchaus auch großen Bezug zum Energiesektor im Allgemeinen und zur Energiekrise im Besonderen: ist sie doch durch die Diskussion um den „Tankrabatt“ entstanden, der nicht zu den von der Politik und letztlich von den Verbraucherinnen und Verbrauchern gewünschten Effekten geführt hatte (in dieser Ausgabe Körber EnK-Aktuell 2023, 010109).

Da das Eigentum nicht nur durch das deutsche Grundgesetz, sondern auch bilaterale oder sogar multilaterale Investitionsschutzabkommen wie etwa den Energiecharta-Vertrag geschützt wird, hat sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Rosneft-Treuhand entschieden, mittels völkerrechtlicher Erklärung russischen Investoren die Klagemöglichkeiten auf der Grundlage des Energiecharta-Vertrags so weit wie möglich zu entziehen (in dieser Ausgabe Happ EnK-Aktuell 2023, 010108).

Allein diese drei Fälle zeigen sehr anschaulich das Spannungsfeld zwischen Eigentumsgarantie und Krisenhandeln. Nicht jede Regelung wird aus rechtlicher Sicht (um im Sprech der Judikatur zu Art. 14 GG zu bleiben) als Enteignung eine Entschädigungspflicht, oder als ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, eine Kompensation erfordern. Die Herausforderung, Energie- und Klimapolitik hier auch gerecht, insbesondere iSe „energy justice“ (vgl. hierzu Noorman/Espinosa/Lavrijssen EnK-Aktuell 2023, 01083) zu gestalten, ist enorm und erfordert Fingerspitzengefühl der Politik, damit diese nicht letzten Endes von den Gerichten oder der Wählerschaft abgestraft wird.

Mit der aktuellen Ausgabe Nr. 9 haben wir in diesem Jahr bereits genauso viele Ausgaben betreut wie im vergangenen Jahr. Die Klick-Zahlen haben sich sehr positiv entwickelt und zeigen eine große und interessierte Leserschaft. Das freut uns sehr. Weiterhin gilt: die EnK-Aktuell ist kein „Closed Shop“. Schreiben Sie uns, wenn Sie einen Beitrag veröffentlichen möchten. Vielen Dank!

Wir wünschen viel Vergnügen und Erkenntnisgewinne beim Lesen.

Max Baumgart und Boris Scholtka

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