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Dr. Max Baumgart/Dr. Boris Scholtka: Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes, Wasserstoff, Fernwärme, Photovoltaikstrategie und mehr

Max Baumgart und Boris Scholtka
EnK-Aktuell 2023, 010140   Das Energierecht wandelt sich weiter. Nicht nur entstehen, zB mit den Preisbremsegesetzen, neue Gesetze. Auch der zentrale Regelungskomplex des Energierechts – das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) – unterliegt einem steten Wandel. Gerade auch der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur ist ein wichtiges Kernthema der aktuellen Novelle. Aber auch andere Themen haben die Energiewirtschaft in den vergangenen Wochen beschäftigt.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) etabliert sich als wahre Gesetzgebungsmaschine. Mit dem am 24.5.2023 vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften steht die neuste Novelle in den Startlöchern.

Ein wesentlicher Aspekt der Novelle sind Regelungen zum rechtlichen und regulatorischen Rahmen eines zukünftigen Wasserstoff-Kernnetzes (s. hierzu Baumgart EnK-Aktuell 2023, 010133). Ein neuer § 28 r EnWG, eingebettet in Teil 3 Abschn. 3 b zur Regulierung von Wasserstoffnetzen, zielt auf die zeitnahe Schaffung eines deutschlandweiten Wasserstoff-Kernnetzes für den Hochlauf des Wasserstoffmarktes (Abs. 1 S. 1). Das Wasserstoff-Kernnetz soll ferner effizient, schnell realisierbar und ausbaufähig sein sowie Maßnahmen enthalten, „um die zukünftigen wesentlichen Wasserstoff­produktionsstätten und die potenziellen Importpunkte mit den zukünftigen wesentlichen Wasserstoffverbrauchspunkten und Wasserstoffspeichern zu verbinden” (Abs. 1 S. 2). Wesentlich ist hierbei, dass das Wasserstoffnetz den überregionalen Transport von Wasserstoff ermöglichen soll (Abs. 1 S. 3). Zunächst liegt es an den deutschen Fernleitungsnetzbetreibern, der Bundesnetzagentur einen gemeinsamen Antrag für ein solches Wasserstoff-Kernnetz vorzulegen (Abs. 2). Kommen die Fernleitungsnetzbetreiber nicht überein, hat die Bundesnetzagentur selbst ein Wasserstoff-Kernnetz vorzuschlagen, wobei sie Unternehmen zur Schaffung von Wasserstoffnetzinfrastruktur für das Wasserstoff-Kernnetz verpflichten kann, wenn diese im Rahmen einer Anhörung erklärt haben, dass sie mit der Aufnahme ihrer Infrastruktureinrichtungen in das Wasserstoff-Kernnetz einverstanden sind (Abs. 3). Die Regelungen zur Schaffung eines Wasserstoff-Kernnetzes sollen die erste Stufe der Wasserstoffnetzentwicklung in Deutschland darstellen (Entwurf, S. 60). In einem weiteren Schritt – noch bis Ende 2023 – sollen weitere Regelungen für die Planung der Wasserstoffnetzentwicklung in das EnWG eingebracht werden (Entwurf, S. 60 f.). Angesichts der mit diesen Vorhaben verbundenen vielfältigen rechtlichen Fragen, wird es spannend, ob und wie der Entwurf schließlich Gesetz wird und wie in der Folge die Umsetzung gelingt.

Während auf deutscher Ebene die Entwicklung des Wasserstoffnetzes durch den Ausbau des Rechtsrahmens vorangetrieben werden soll, haben am 31.5.2023 EU-Energiekommissarin Kadri Simson und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck beschlossen, die geplante neue Europäischen Wasserstoffbank (s. auch COM(2023) 156 final) mit dem von Deutschland für den Markthochlauf entwickelten Instrument H2Global zu verbinden (s. die Pressemitteilung des BMWK). H2Global soll allen EU-Regierungen offenstehen, die an der Durchführung von Wasserstoffausschreibungen interessiert sind (hierzu auch die Pressemitteilung des BMWK vom Vortag). Zudem soll H2Global zusammen mit der Europäischen Wasserstoffbank an gemeinsamen europäischen Ausschreibungen arbeiten, um damit einen sichtbaren Beitrag zu internationalen Wasserstoffimporten zu leisten.

Eigentlicher Kern der EnWG-Gesetzesnovelle ist aber die Umwandlung der Kompetenz zum Erlass von Rechtsverordnungen für das zuständige Ministerium in Festlegungskompetenzen für die nationale Regulierungsbehörde (Entwurf, S. 2). Dies ist notwendig, um die Entscheidung des EuGH v. 2.9.2021 in der Rs. C-718/18 umzusetzen. Mit den dadurch erforderlichen neuen Rechtsschutzmöglichkeiten befasst sich in dieser Ausgabe Kim Natalie Müller (EnK-Aktuell 2023, 010135). Bereits in der vergangenen Ausgabe hatten sich Klahm/Fabritius kritisch zu der Umsetzung des Urteils geäußert (EnK-Aktuell 2023, 010128).

Weiter soll das EnWG durch die Novelle Änderungen für die zügigere und vereinfachte Verfahrensführung durch die zuständige Planfeststellungsbehörde für schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheiten (FSRU) erhalten (in dieser Ausgabe EnK-Aktuell 2023, 010131). Dies zeigt, dass die Politik der Rolle von Flüssigerdgas (liquefied natural gas – LNG) weiterhin eine große Rolle zur Aufrechterhaltung der Energieversorgungssicherheit beimisst. Dabei handelt es sich um ein schwieriges und angesichts von Umweltbelastungen bei Förderung und Transport kontrovers diskutiertes Thema. Jedoch überwiegt derzeit die Auffassung, dass die Anpassungen der Erzeugungsstruktur den partiellen Ersatz von „Pipeline-Gas“ durch zusätzliche LNG-Importe zur Sicherung der Versorgung erforderlich machen.

Boris Scholtka berichtet von einer bevorstehenden mündlichen Verhandlung des BGH zu verschiedenen Rechtsfragen zu Preisklauseln in Fernwärmeverträgen und wirft auch einen kurzen Blick auf eine kürzlich ergangene Entscheidung des 9. Senats des Berliner Kammergerichts v. 23.5.2023 (EnK-Aktuell 2023, 010139).

Die vorliegende Ausgabe der EnK-Aktuell behandelt zudem die aktualisierte Version der Photovoltaikstrategie der Bundesregierung, die noch vor der Sommerpause im Bundeskabinett verabschiedet werden soll (Glattfeld EnK-Aktuell 2023, 010132), sowie die Windenergie-an-Land-Strategie, bei der es sich letztlich um die „Beschreibung eines Bündels von zahlreichen Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen, die teilweise schon gesetzlich umgesetzt wurden und teilweise noch umzusetzen sind“ (Groneberg EnK-Aktuell 2023, 010136) handelt.

Ein weiterer Beitrag untersucht die Rolle der Generalunternehmervergabe für den Geothermieausbau in Deutschland. Energieversorger könnten durch die Generalunternehmervergabe eine raschere Umsetzung von Geothermieprojekten erreichen, so die Autoren. Dafür bedürfe es aber einer ausführlichen und vergaberechtskonformen Einzelfallabwägung (Naumann/Kriedel EnK-Aktuell 2023, 010134).2023

Franz-Alois Fischers Buzzword der Woche (EnK-Aktuell 2023, 010137) knüpft an die bundesweite Razzia gegen Mitglieder der „Letzten Generation“ an und widmet sich mit dem Begriff „kriminelle Vereinigung“ erneut der zum Teil stark emotional und politisch aufgeladenen Diskussion, wieviel „Grenzüberschreitung“ in der Demokratie erlaubt ist.

Viel Vergnügen bei der Lektüre der vorliegenden Ausgabe wünschen

Max Baumgart und Boris Scholtka

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