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Buchführungspflicht einer ausländischen Immobilienkapitalgesellschaft

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 15.10.2015, I B 93/15>

 

Gewerbliche Unternehmer, deren Umsatzerlöse bzw. Gewinn bestimmte Schwellenwerte übersteigen, sind nach § 141 AO auch dann zur Buchführung verpflichtet, wenn keine anderweitige Buchführungspflicht besteht. Fraglich ist, ob die Regelung des § 141 AO auch auf im Inland beschränkt körperschaftsteuerpflichtige ausländische Kapitalgesellschaften Anwendung findet.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine Aktiengesellschaft liechtensteinischen Rechts erzielte in Deutschland Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die AG ist unstreitig in Deutschland lediglich beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Für das Jahr 2010 erzielte die AG in Deutschland einen Gewinn von über 130.000 €.

Das Finanzamt teilte der AG daraufhin den Beginn der Buchführungspflicht für den Gewerbebetrieb „Vermietung und Verwaltung von Grundbesitz“ gemäß § 141 Abs. 2 Satz 1 AO mit. Einspruch und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) blieben erfolglos. Mit ihrer Revision begehrt die AG weiterhin die AdV.

 

 

Lösung

Aus Sicht des BFH bestehen ernstliche Zweifel daran, ob die AG zu den gewerblichen Unternehmen im Sinne des § 141 AO gehört und daher buchführungspflichtig ist. Aufgrund dieser Zweifel bestimmt der BFH die Aussetzung der Vollziehung. Die Zweifel des BFH beruhen auf zwei Gesichtspunkten:

  • Gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AO sind gewerbliche Unternehmer, die einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von mehr als 50.000 € (ab 1.1.2016: 60.000 €) im Wirtschaftsjahr erzielen, verpflichtet, Bücher für diesen Betrieb zu führen. Voraussetzung ist somit die Gewerblichkeit der Einkünfte. Zwar dehnt § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG den Tatbestand der Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch auf rein vermögenverwaltend tätige ausländische Kapitalgesellschaften aus. Fraglich ist jedoch, ob diese Feststellung auch im Zusammenhang mit § 141 AO greift, da hier an das Vorliegen eines tatsächlichen Gewerbetriebs bzw. an die Einkunftserzielung durch einen gewerblichen Unternehmer angeknüpft wird. Im Hauptverfahren wird nun zu klären sein, ob Sinn und Zweck des § 141 AO eine Öffnung für die oben genannte Fiktion des § 49 EStG erfordern.
  • § 141 AO greift nicht, soweit bereits nach anderen Gesetzen eine Buchführungspflicht besteht. Bislang ist nicht geklärt, ob auch Buchführungspflichten im Ausland nach § 140 AO die Art der Gewinnermittlung nach deutschem Ertragsteuerrecht bestimmen. Hierzu bedarf es zunächst der Aufklärung durch das Finanzgericht, inwieweit die AG nach liechtensteinischem Recht Bücher zu führen hat. Besteht eine solche Buchführungspflicht, ist im zweiten Schritt zu klären, ob § 141 AO nunmehr überhaupt Anwendung finden kann.

 

 

 

Praxishinweise:

Für nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäfts- bzw. Wirtschaftsjahre wurden (durch das Bürokratieentlastungsgesetz vom 28.7.2015, BGBl. I 2015, 1400) die Schwellenwerte für die Befreiung von der Buchführungs-/Aufzeichnungs- sowie Bilanzierungspflicht (inklusive Erstellung eines Inventars) nach den handels- und steuerrechtlichen Vorschriften um 20% (§ 241a Satz 1 HGB; § 141 Abs. 1 Satz 1 AO) angehoben:

  • Umsatzerlöse pro Geschäfts-/Wirtschaftsjahr ≤ 600.000 € (bislang 500.000 €);
  • Jahresüberschuss pro Geschäftsjahr/Gewinn pro Wirtschaftsjahr ≤ 60.000 € (bislang 50.000 €).

Betroffen hiervon sind alle Einzelkaufleute – sowohl kapitalmarktorientierte als auch nicht-kapitalmarktorientierte –, die an zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die genannten Schwellenwerte nicht überschreiten. Für Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) gelten diese Befreiungstatbestände nicht.

Im Fall einer Neugründung gelten diese Voraussetzungen bereits, wenn die obigen Werte am ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden.

 

Bitte beachten!
  • Der maßgebliche handelsrechtliche Jahresüberschuss, der für § 241a HGB herangezogen wird, entspricht häufig nicht dem steuerlichen Gewinn für § 141 AO. Dies führt zu zusätzlichem Prüfaufwand, ob die Schwellenwerte in beiden Rechtskreisen unterschritten werden.
  • Trotz der Befreiung von der Bilanzierungspflicht ist jedoch weiterhin eine Gewinnermittlung für steuerliche Zwecke erforderlich, und zwar eine Einnahmen-Überschussrechnung (nach § 4 Abs. 3 EStG).

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Lead Auditor Europe in der Internen Revision, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 1/2016

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