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Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung im Fokus der Finanzverwaltung

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

OFD Karlsruhe, Verfügung vom 26.7.2018, S 0315-St 42

 

Die Erfüllung der Aufbewahrungspflichten hinsichtlich digitaler Unterlagen ist häufig mit Fehlerquellen verbunden, die es zu vermeiden gilt; ein neues Merkblatt der Finanzverwaltung soll helfen, den Überblick zu bewahren.


 

 

Praxis-Info!

 

Unternehmen mit Bargeldeinnahmen nutzen in der Regel der Buchführung vorgelagerte Systeme, wie z.B. Registrierkassen, Waagen mit Registrierkassenfunktion, PC-Kassensysteme und Taxameter. Diese Systeme unterliegen denselben Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten wie die eigentlichen Buchführungssysteme. Der Einsatz dieser Technik hat eine Reihe von betriebswirtschaftlichen Vorteilen, ist allerdings auch mit Pflichten verbunden: Für die Aufbewahrung digitaler Unterlagen gelten die Vorschriften der AO (insbesondere § 145 bis § 147 AO i.d.F. vom 29.12.2016). Außerdem gibt es mehrere einschlägige Verwaltungsvorschriften. Zu diesen zählen insbesondere ein BMF-Schreiben vom 26.11.2010 ( IV A 4 – S 0316/08/10004-07, BStBl. I 2010, 1342) sowie ein BMF-Schreiben vom 14.11.2014 ( IV A 4 – S 0316/13/10003, BStBl. I 2014, 1450 [GoBD – Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff]).

Für mit der Erfüllung dieser Pflichten befasste Buchführungsexperten ist insbesondere die Beachtung neuer gesetzlicher Anforderungen wichtig, die sich aus dem am 29.12.2016 veröffentlichten „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ ( BStBl. I 2017, 21) ergeben (zur zeitlichen Einordnung siehe Tabelle). Welche elektronischen Aufzeichnungssysteme über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen müssen, wird durch die sog. Kassensicherungsverordnung (KassenSichV – BStBl. I 2017, 1310) geregelt.

 

 

 

Anwendung neuer gesetzlicher Anforderungen gemäß OFD-Merkblatt vom 26.7.2018

Neue Vorschrift

Anwendung ab

Ausnahmen

§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO: Einzelaufzeichnungspflicht

29.12.2016

Verkauf von Waren/Erbringen von Dienstleistungen an eine Vielzahl nicht bekannter Personen

§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO: Tägliche Aufzeichnungen

29.12.2016

 

§ 146a Abs. 1 AO: Technische Sicherheitseinrichtung für elektronische Registrierkassen

1.1.2020 bzw. 1.1.2023

Registrierkassen, die nach dem 25.11.2010 und vor dem 1.1.2020 angeschafft wurden und nicht aufrüstbar sind, dürfen bis 31.12.2022 genutzt werden.

Voraussetzung: Die Kasse muss dem BMF-Schreiben vom 26.11.2010 entsprechen.

§ 146a Abs. 2 AO: Belegausgabepflicht

1.1.2020

Auf Antrag (§ 148 AO) Befreiung möglich

§ 146a Abs. 4 AO: Mitteilungspflicht

1.1.2020

Datenübermittlung über einheitliche digitale Schnittstelle erst ab 1.1.2020

Datenzugriff ab 1.1.2018 möglich

§ 146b AO: Kassen-Nachschau

1.1.2018

 

§ 379 AO: Sanktionen bei Verstößen

1.1.2020

 

 

 

 

Lösung

 

Die OFD Karlsruhe versteht ihre Verfügung als ein Merkblatt; es soll einen Überblick verschaffen, um häufige Fehlerquellen in der Kassenbuchführung zu erkennen und zu vermeiden. Erläutert werden zunächst der Grundsatz der Einzelaufzeichnungspflicht (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO) sowie aus Zumutbarkeitsgründen gewährte Ausnahmen davon (§ 146 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AO).

Hinsichtlich des Einsatzes von offenen Ladenkassen wird einführend darauf hingewiesen, dass es eine „Registrierkassenpflicht“ nicht gibt, es also weiter zulässig ist, eine offene Ladenkasse zu führen. Bei der offenen Ladenkasse sind jedoch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassenführung mit hohem Aufwand verbunden. Auch hier ist die Aufzeichnung eines jeden einzelnen Handelsgeschäfts mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls grundsätzlich erforderlich. Ist die Einzelaufzeichnung nicht zumutbar, müssen die Bareinnahmen anhand eines sog. Kassenberichts nachgewiesen werden. Auch bei einem Kassenbericht müssen die erklärten Betriebseinnahmen auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit überprüfbar sein (BFH-Beschluss vom 13.3.2013, X B 16/12). Für die Anfertigung eines Kassenberichts ist der gesamte geschäftliche Bargeldendbestand einschließlich Hartgeld – unabhängig vom Aufbewahrungsort des Geldes (z.B. Tresorgeld, Handkassen der Kellner, Wechselgeld, Portokasse etc.) – täglich zu zählen. Der Kassenendbestand ist sodann rechnerisch um die Entnahmen und Ausgaben zu erhöhen und um die Einlagen und den Kassenanfangsbestand zu mindern, sodass sich im Ergebnis die Tageseinnahmen ergeben (retrograde Ermittlung). Bei mehreren Kassen müssen die Kassenberichte einzeln und der Bargeldbestand der jeweiligen Kasse zuordenbar sein.

Seit dem 1.1.2017 (BMF-Schreiben vom 26.11.2010, IV A 4 – S 0316/08/10004-07, BStBl. I 2010, 1342) dürfen nur noch solche elektronischen Registrierkassen verwendet werden, die eine komplette Speicherung aller steuerlich relevanten Daten – insbesondere Journal-, Auswertungs-, Programmier- und Stammdatenänderungsdaten (z.B. Artikelpreisänderungen; Nutzerkennung) – ermöglichen (BFH-Urteil vom 16.12.2014, X R 42/13, BStBl. II 2015, 519). Gerade mit Blick auf dieses BMF-Schreiben ist darauf zu achten, dass die oben genannten Informationen des Kassensystems vollständig und unveränderbar in digitaler Form aufbewahrt werden. Bei Umstellung auf ein neues System wird im Merkblatt empfohlen, die „Alt-Kasse“ weiterhin aufzubewahren.

Der Finanzverwaltung steht nach § 147 Abs. 6 AO bezüglich der digitalen, aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Kassendaten im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung das Recht auf Datenzugriff zu. Hier kann im Rahmen des unmittelbaren oder mittelbaren Datenzugriffs Einsicht am Kassensystem vorgenommen oder eine Datenträgerüberlassung verlangt werden. Im letzteren Fall sind alle erforderlichen Daten auf einem maschinell auswertbaren Datenträger (z.B. CD, DVD, USB-Stick) zur Verfügung zu stellen.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Mit Standardsoftware (z.B. Office-Programmen) erstellte Tabellen entsprechen gemäß ausdrücklichem Hinweis im Merkblatt nicht dem Grundsatz der Unveränderbarkeit. Am Markt erhältliche Software wird nur dann als ordnungsgemäß anerkannt, wenn eine nachträgliche Änderung nicht möglich ist oder mit einem entsprechenden Vermerk gekennzeichnet wird.
  • Bei elektronischer Kassenführung muss das Unternehmen selbst dafür sorgen, dass die Einzeldaten mit allen Strukturinformationen in der Kasse nicht nur gespeichert, sondern auch exportiert und in einem für das Finanzamt lesbaren Format zur Verfügung gestellt werden können. Dies gilt auch für Daten, die sich bei Dritten befinden (z.B. Rechenzentrum, Cloud).
  • Es ist daher nicht empfehlenswert, den Versuch zu unternehmen, Datensätze etwa bei Cloud-Nutzungen hinter Wolkenbergen verstecken zu wollen. Insbesondere ist dies vor dem Hintergrund zu sehen, dass an die Stelle gewohnter Stichprobenanalysen im Zuge der Digitalisierung und von Big Data zunehmend Volldatenanalysen treten werden. Was im Marketing Begeisterung hervorrufen mag, sollte auf der Stirn von Buchführungsverantwortlichen eher Sorgenfalten hervorrufen; denn die neuen Analysetools stehen selbstverständlich auch aufseiten der Betriebsprüfer zur Verfügung. Und das Risiko ist hoch, denn wenn die Kassenführung auch nur ausschnittsweise als nicht ordnungsgemäß erkannt wird, hat dies den Verlust der Ordnungsmäßigkeit der gesamten Buchführung zur Folge.

 

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

BC 10/2018

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