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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Ukraine-Krieg: Fachlicher Hinweis des IDW (1. Update) – Rechnungslegung 2022 (HGB)

Prof. Dr. Christian Zwirner

Fachlicher Hinweis des IDW (1. Update, April 2022) – Rechnungslegung und Berichterstattung nach dem 24.2.2022 (HGB)

 

Am 8.4.2022 hat das IDW ein erstes Update zu dem im März 2022 veröffentlichten fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Rechnungslegung und Prüfung verabschiedet. Zahlreiche Fragestellungen und Aspekte wurden neu aufgenommen, andere aktualisiert. Weitere relevante Fragen und Antworten sollen in fortlaufenden Updates veröffentlicht werden.


 

 

Praxis-Info!

 

Überblick

Das IDW hat seine Ausführungen im ersten Update zu seinem fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Rechnungslegung und deren Prüfung wie folgt gegliedert:

  • Auswirkungen auf die Rechnungslegung zum Stichtag 31.12.2021 (HGB und IFRS),
  • Auswirkungen auf die handelsrechtliche Rechnungslegung für Stichtage nach Kriegsausbruch,
  • Auswirkungen auf die IFRS-Rechnungslegung für Stichtage nach Kriegsausbruch,
  • Auswirkungen auf die Abschlussprüfung,
  • Auswirkungen der Sanktionen auf Vertragsbeziehungen.

Im Folgenden wird vorwiegend auf die neuen bzw. im ersten Update aktualisierten Aspekte eingegangen, wobei die Rechnungslegung seit Kriegsbeginn nach HGB betrachtet wird.

 

 

Rechnungslegung und Berichterstattung seit Kriegsbeginn (Handelsrecht)

Bezogen auf die Auswirkungen auf die handelsrechtliche Rechnungslegung äußert sich das IDW beispielsweise zu der Frage, ob die aktuelle Situation einen Anwendungsfall für die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Konsolidierungswahlrechts nach § 296 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 HGB darstellt. In zeitlicher Hinsicht müssen die Beschränkungen nach § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB am betrachteten Konzernbilanzstichtag bestanden haben. Die aktuellen Ereignisse im Jahr 2022 können also nicht eine Einschränkung bereits zum 31.12.2021 begründen. Allerdings können sich aus der aktuellen Situation Beschränkungen ergeben hinsichtlich der Möglichkeit der Datenbeschaffung, oder es kann zu erheblichen Verzögerungen bei der Aufstellung des Konzernabschlusses kommen. Insoweit können die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs nach Auffassung des IDW im Einzelfall die Voraussetzungen für eine unangemessene Verzögerung im Sinne der Vorschrift erfüllen, wenn die sogenannten „Reporting Packages“ nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung an das Mutterunternehmen geliefert werden können. Wenn auf Grundlage der beiden vorgenannten Regelungen keine Vollkonsolidierung des Tochterunternehmens mehr erfolgt, ist eine Einbeziehung nach Maßgabe der Equity-Methode zu prüfen. Kommt auch diese nicht infrage, hat eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten zu erfolgen, wobei die Beteiligung dann vor dem Hintergrund des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfen ist.

Der Ukraine-Krieg kann im Einzelfall außerplanmäßige Abschreibungen – sowohl im Anlagevermögen als auch im Umlaufvermögen – zur Folge haben. Daher sind aktivierte immaterielle Vermögensgegenstände (einschließlich aktivierter Firmenwerte) ebenso auf ihre Werthaltigkeit hin zu untersuchen wie Sachanlagen. In diesem Zusammenhang kommt eine Abschreibung nur dann in Frage, wenn sich die Folgen des Ukraine-Kriegs dauerhaft auf die Werthaltigkeit der aktivierten Beträge auswirken, mitunter also eine voraussichtlich dauernde Wertminderung eingetreten ist. Im Finanzanlagevermögen besteht im Falle einer voraussichtlich nicht dauerhaften Wertminderung ein Abschreibungswahlrecht. Die Bestimmung des beizulegenden Werts von Finanzanlagen hat für den Fall von Beteiligungen oder Anteilen an verbundenen Unternehmen unter Beachtung der Regelungen nach IDW RS HFA 10 zu erfolgen. Sofern für Wertpapiere des Anlagevermögens Börsenkurse vorliegen, hat die Beurteilung der voraussichtlichen Dauerhaftigkeit der Wertminderung mit Blick auf die Dauer und den Umfang der eingetretenen Wertminderung zu erfolgen.

Für Vorräte und Forderungen des Umlaufvermögens gilt das strenge Niederstwertprinzip. Bei der Ermittlung der Herstellungskosten für die Vorräte ist auf die zutreffende Behandlung von Leerkosten zu achten. Zudem hat eine verlustfreie Bewertung der zum Stichtag vorliegenden Vorräte und Waren unter Berücksichtigung etwaiger noch bis zur Fertigstellung anfallenden Herstellungskosten zu erfolgen. Bei Forderungen des Umlaufvermögens können sich Wertberichtigungen aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten infolge der Kriegsauswirkungen ergeben.

Wenn hinsichtlich liquider Mittel Verfügungsbeschränkungen vorliegen, sind diese Positionen unter den sonstigen Vermögensgegenständen auszuweisen und nach den handelsrechtlichen Grundsätzen zu bewerten. Ein Ausweis von verfügungsbeschränkten Bankguthaben unter den liquiden Mittel ist nicht mehr sachgerecht. Sofern die Beschränkungen so weit gehen, dass der Bilanzierende über die Mittel gar nicht mehr verfügen kann und diese ihm damit nicht mehr zuzurechnen sind, sind diese Beträge aufwandswirksam auszubuchen. Auch für Zwecke der Kapitalflussrechnung ist die Verfügungsbeschränkung zu beachten. Hier hat entweder ein gesonderter Ausweis der nicht zahlungswirksamen Veränderungen des Finanzmittelfonds oder eine entsprechende Überleitungsrechnung zwischen dem Finanzmittelfonds und den in der Bilanz ausgewiesenen liquiden Mitteln einschließlich der verfügungsbeschränkten Mittel zu erfolgen, wenn der Bilanzierende die Verfügungsbeschränkung als nicht schädlich für die Abgrenzung des Finanzmittelfonds ansieht.

Im handelsrechtlichen Jahresabschluss kann sich durch den Ukraine-Krieg die Notwendigkeit der Bildung von Rückstellungen ergeben. Preisänderungen auf den relevanten Beschaffungs- und/oder Absatzmärkten, Leistungsstörungen in Beziehungen zu Geschäftspartner bzw. Lieferketten sowie die eingeschränkte Verfügbarkeit von Personal können den Ansatz von Rückstellungen bedingen. Einerseits ist an den Ansatz von Drohverlustrückstellungen, insbesondere bei Absatzgeschäften, zu denken. Darüber hinaus kann der Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung wegen etwaiger Verstöße gegen Sanktionsregelungen in Betracht kommen, wenn das bilanzierende Unternehmen im Einzelfall gegen ordnungs- oder bußgeldbewehrte Sanktionsregelungen verstoßen hat. Sofern ein Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht fristgerecht nachkommen kann, weil z.B. Geldüberweisungen an bestimmte russische Banken nicht möglich sind (wegen des Ausschlusses vom SWIFT-Zahlungsabwicklungssystem), ist der Ansatz weiterer Schuldposten wegen des Zahlungsverzugs bzw. infolge von Verzinsungen zu prüfen. Ebenso kann sich ein Rückstellungsbedarf aus der Inanspruchnahme von Haftungsverhältnissen ergeben, wenn und soweit die Inanspruchnahme bisher immer als unwahrscheinlich, nun aber als wahrscheinlich einzustufen ist.

Aus der Währungsumrechnung können sich Ergebniseffekte ergeben, wenn bestehende in Fremdwährung geführte oder zu erfüllende Sachverhalte zum Stichtag mit einem abweichenden Kurs als dem bisher angesetzten umzurechnen sind. Hierbei sind im Jahresabschluss die Regelungen nach § 256a HGB zu beachten. Kurzfristige Sachverhalte sind stets zu dem am Stichtag geltenden Kurs umzurechnen. Bei langfristigen Sachverhalten sind die generellen handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätze zu beachten. Die Währungsumrechnung von einzelnen Sachverhalten nach § 256a HGB bzw. von Abschlüssen im Rahmen des Konzernabschlusses nach § 308a HGB hat zu den allgemeinen Grundsätzen zu erfolgen. Von einer Hochinflation ist nach Ansicht des IDW noch nicht auszugehen.

Im Rahmen der Anhangberichterstattung weist das IDW zutreffend auf verschiedene mögliche Berichtspflichten hin. Neben der Nachtragsberichterstattung macht das IDW auf eine ggf. notwendige Neubeurteilung außerbilanzieller Sachverhalte oder sonstiger finanzieller Verpflichtungen aufmerksam. Auch kann sich die Einschätzung hinsichtlich der Inanspruchnahme von Haftungsverhältnissen und der Nichtpassivierung einer Rückstellung zugunsten eines notwendigen Rückstellungsansatzes ändern. Wenn sich einzelne Sachverhalte ergebniswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen, ist zu prüfen, ob Betrag und Art der Aufwendungen und Erträge als außergewöhnlich anzusehen sind.

 

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

BC 5/2022 

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