Fachlicher Hinweis des IDW (4. Update, Dezember 2022) – Rechnungslegung und deren Prüfung nach dem 24.2.2022
Mit dem vierten Update wird zum einen die Frage beantwortet, wie sich die infolge des Ukraine-Kriegs deutlich gestiegenen Kosten für Wärme auf die Abbildung der Heizkostenabrechnung von Unternehmen der Immobilienwirtschaft im handelsrechtlichen Abschluss auswirken. Zum anderen sind drei neue Fragen und Antworten zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IFRS ergänzt worden.
Praxis-Info!
Welche Auswirkungen haben die gestiegenen Kosten für Wärme bei Unternehmen der Immobilienwirtschaft?
Betriebskosten, also auch Heizkosten, sind gemäß § 556 Abs. 1 S. 2 BGB solche Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen.
Die noch nicht mit den Mietern abgerechneten Heiz- und Betriebskosten des vergangenen Jahres werden im Abschluss unter den Vorräten als unfertige Leistungen und die von den Mietern unterjährig geleisteten Vorauszahlungen als „Erhaltene Anzahlungen“ ausgewiesen. Die Leistungen werden bei Abrechnung im Folgejahr umsatzwirksam. Bei der Abrechnung werden die Forderungen mit den erhaltenen Anzahlungen verrechnet und in Abhängigkeit davon, ob sich eine Nachzahlung oder eine Erstattung ergibt, als Forderungen oder als Verbindlichkeiten ausgewiesen.
Es stellt sich dabei die Frage, ob aufgrund der deutlich gestiegenen Kosten für Wärmeversorgung bereits zum Abschlussstichtag eine Abschreibung gemäß § 253 Abs. 4 HGB auf die unfertigen Leistungen vorzunehmen ist. Im Rahmen des Grundsatzes einer verlustfreien Bewertung unfertiger Leistungen sind u.a. die nach den Verhältnissen am Abschlussstichtag voraussichtlich erzielbaren (Absatz-)Preise maßgeblich. Ist zum Abschlussstichtag davon auszugehen, dass Mieter die höheren Heizkosten nicht werden tragen können, ist dies daher nach Auffassung des IDW bereits bei der Bewertung der unfertigen Leistungen zu berücksichtigen.
Nach Durchführung der Heizkostenabrechnung ist bei der Bewertung der Forderungen dem Umstand erhöhter Kosten im Rahmen der Einzel- und Pauschalwertberichtigung angemessen Rechnung zu tragen.
Darüber hinaus wird hierüber – Wesentlichkeit vorausgesetzt – auch im Risikobericht des Lageberichts zu berichten sein.
Können die aktuellen Umstände eine Umklassifizierung von finanziellen Vermögenswerten rechtfertigen?
Umklassifizierungen sind nur im Zusammenhang mit einem Wechsel des Geschäftsmodells für die Steuerung der finanziellen Vermögenswerte vorzunehmen (IFRS 9.4.4.1). Ein solcher Wechsel des Geschäftsmodells tritt erwartungsgemäß nur sehr selten ein (IFRS 9.B4.4.1).
Die Folgen des Kriegs in der Ukraine können zu einer Änderung des Geschäftsmodells führen (z.B. aufgrund des generellen Verzichts auf Investitionen in Russland und damit auch des Abstoßens bestehender Investitionen in zinstragende finanzielle Vermögenswerte wie z.B. Anleihen). Eine Umklassifizierung finanzieller Vermögenswerte setzt nach IFRS 9.B4.4.1 voraus, dass die Änderung
- durch das leitende Management (entity’s senior management) als Ergebnis externer oder interner Änderungen festgelegt wird,
- für die operative Tätigkeit des Bilanzierenden signifikant ist (significant to the entity’s operations) und
- gegenüber externen Parteien nachgewiesen werden kann (demonstrable).
Ob die Voraussetzungen für die Änderung des Geschäftsmodells eines bestimmten Portfolios im Kontext des Kriegs in der Ukraine erfüllt sind, hängt davon ab, ob sich die beschlossenen Maßnahmen nachweislich auf die jeweiligen Geschäftsaktivitäten eines Unternehmens als Ganzes signifikant auswirken.
Die Umklassifizierung erfolgt zu Beginn der auf den Umklassifizierungsbeschluss folgenden Berichtsperiode (vollständige Berichtsperiode oder Zwischenberichtsperiode) (IFRS 9.5.6.1, IFRS 9.B5.6.2). Eine rückwirkende Umklassifizierung auf einen vor dem Zeitpunkt der Umklassifizierung liegenden Stichtag ist damit ausgeschlossen.
Die vorstehenden Ausführungen gelten ausschließlich für finanzielle Vermögenswerte. Finanzielle Verbindlichkeiten dürfen nicht umklassifiziert werden (IFRS 9.4.4.2).
Was gilt es bei Energiebeschaffungsverträgen vor dem Hintergrund der aktuellen Marktentwicklungen zu beachten?
Nach IFRS 9.2.4 fallen durch Nettoausgleich erfüllbare Verträge, die zwecks Empfang oder Lieferung nicht-finanzieller Posten gemäß dem erwarteten Einkaufs-, Verkaufs- oder Nutzungsbedarf des Unternehmens geschlossen wurden und in diesem Sinne weiter gehalten werden, nicht in den Anwendungsbereich von IFRS 9 (sog. own use exemption), sofern sie nicht aufgrund der in IFRS 9.2.5 genannten Bedingungen als erfolgswirksam zum Fair Value bewertet designiert werden. Verträge, die unter die own use exemption fallen, werden als schwebende nicht-finanzielle Geschäfte behandelt, für die IAS 37 einschlägig ist.
Aufgrund der aktuellen Marktgegebenheiten sind (teilweise) Glattstellungen von Energiebeschaffungsverträgen zu beobachten, die auf Einsparmaßnahmen (insbesondere bei Gas), aber auch auf Gewinnmitnahmen zurückzuführen sind. Eine sachgerechte Würdigung, ob hierbei die Ausnutzung von Preisdifferenzen oder eine güterwirtschaftliche Wertschöpfung vorliegt, kann nur im Gesamtkontext der zu beurteilenden Verträge erfolgen (zu den Indikatoren vgl. IDW RS HFA 48, Tz. 17). Erfolgen die (teilweisen) Glattstellungen zum Zweck von Gewinnmitnahmen, ist eine Anwendung der own use exemption nicht mehr zulässig. Auch bei sonstigen ursprünglich nicht-intendierten Verkäufen von Übermengen ist zu beurteilen, ob sich die Verträge noch für eine Anwendung der own use exemption qualifizieren.
Ändert sich der Verwendungszweck eines Vertrags, der ursprünglich zur eigenen Bedarfsdeckung geschlossen wurde (z.B. durch Gewinnmitnahmen), besteht ab diesem Zeitpunkt die Bilanzierungspflicht nach IFRS 9. Zum Zeitpunkt der Zweckänderung ist der Vertrag wie ein Derivat zu behandeln und in Folgeperioden erfolgswirksam zum Fair Value zu bilanzieren. In diesem Zusammenhang kann der Ansatz einer Drohverlustrückstellung für korrespondierende Absatzverträge notwendig werden.
Wie stellt sich das Verhältnis zwischen der Szenariobetrachtung im Rahmen der Ermittlung von Wertminderungen nach IFRS 9 und Sensitivitätsangaben nach IAS 1 dar?
Das Wertminderungskonzept für nicht erfolgswirksam zum Fair Value bewertete finanzielle Vermögenswerte nach IFRS 9 erfordert die Erfassung von erwarteten Kreditverlusten. Deren Ermittlung hat auf einer wahrscheinlichkeitsgewichteten Szenariobetrachtung zu basieren, in welche auch zukunftsbezogene Informationen zu makroökonomischen Bedingungen einzubeziehen sind. Diese erfolgswirksam zu erfassenden Wertminderungen reduzieren den Buchwert der betreffenden finanziellen Vermögenswerte.
IAS 1 verlangt Angaben zu wesentlichen Quellen von Schätzungsunsicherheiten, durch die ein beträchtliches Risiko entstehen kann, dass innerhalb des nächsten Geschäftsjahres eine wesentliche Buchwertanpassung notwendig wird (IAS 1.125). Zusätzlich sind nach IAS 1.129 Angaben zu machen, die es dem Bilanzadressaten erleichtern, die Ermessensausübung des Managements bezüglich der Zukunft und anderer wesentlicher Quellen von Schätzungsunsicherheiten zu verstehen.
Beispielsweise ist anzugeben:
- die Art der Annahme bzw. der sonstigen Schätzungsunsicherheit;
- die Sensitivität der Buchwerte hinsichtlich der Methoden, der Annahmen und der Schätzungen, die der Berechnung der Buchwerte zugrunde liegen unter Angabe der Gründe für die Sensitivität;
- die erwartete Beseitigung einer Unsicherheit sowie die Bandbreite der vernünftigerweise für möglich gehaltenen Gewinne oder Verluste innerhalb des nächsten Geschäftsjahres bezüglich der betroffenen Buchwerte;
- eine Erläuterung der Anpassungen früherer Annahmen bezüglich der Buchwerte, sofern die Unsicherheit weiter bestehen bleibt.
In dem derzeitigen von Unsicherheiten geprägten Umfeld kommen Annahmen und Schätzungen besondere Bedeutung zu. Je größer die Unsicherheiten, desto mehr Ermessensentscheidungen werden erforderlich sein, was wiederum detailliertere Angaben bzw. einen höheren Bedarf an Sensitivitätsanalysen nach sich zieht, um den Adressaten die Relevanz der Ermessensentscheidungen zu vermitteln. Auf erforderliche Sensitivitätsanalysen kann nicht unter Hinweis auf die Verwendung von unterschiedlichen Szenarien im Rahmen der Ermittlung der erwarteten Kreditverluste nach IFRS 9 verzichtet werden.
[Anm. d. Red.]
BC 1/2023
becklink454801