BFH-Urteil vom 19.9.2012, IV R 11/12
Die teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts des Sonderbetriebsvermögens in das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft führt nicht zur Realisierung eines Gewinns, wenn das Entgelt den Buchwert nicht übersteigt.
Praxis-Info!
Im Ausgangsfall übertrug ein Kommanditist u.a. ein in seinem Sonderbetriebsvermögen befindliches Grundstück in das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft. Zum Zeitpunkt des Übertrags lagen folgende Werte für das Grundstück vor:
- Verkehrswert: 1.520.000,00 €
- Buchwert: 1.026.339,09 €
- Belastung: 296.453,47 € (Verbindlichkeit)
Im Zuge der Übertragung ging auch die auf dem Grundstück ruhende Belastung in das Gesamthandsvermögen über. Sowohl Finanzamt als auch das erstinstanzliche Finanzgericht werteten diesen Vorgang als teilentgeltliche Übertragung, welche eine quotale Aufdeckung der stillen Reserven in Höhe von 96.281,24 € nach sich zog.
Die quotale Aufdeckung beruht auf der sog. Trennungstheorie. Diese wird u.a. in dem BMF-Schreiben vom 8.12.2011 (IV C 6 – S 2241/10/10002) verlangt. Hierbei wird unterstellt, dass der entgeltlich übertragene Anteil veräußert, während der restliche Anteil zum Buchwert übertragen wird. Infolgedessen wird bei einer teilentgeltlichen Übertragung ein dem Verhältnis des Entgelts zum Verkehrswert entsprechender Anteil der stillen Reserven des Wirtschaftsguts aufgedeckt und realisiert. Für den Ausgangsfall bedeutet dies: Verkehrswert: 1.520.000,00 € Entgelt: 296.453,47 € (Die Übernahme einer Verbindlichkeit steht einem Entgelt gleich.) Verhältnis: 296.453,47 € / 1.520.000,00 € x 100 = 19,5% Verkehrswert 1.520.000,00 € ./. Buchwert 1.026.339,09 € Stille Reserven 493.660,91 € Quotale Aufdeckung: 493.660,91 € x 19,5% = 96.281,24 € (mit allen Nachkommastellen gerechnet). |
Die Sonderbetriebseinnahmen des Klägers wurden um die quotal aufgedeckten stillen Reserven erhöht. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Finanzgericht blieb erfolglos.
Lösung
Der BFH widerspricht in seiner Urteilsbegründung der Auffassung von Finanzgericht und Finanzamt. Zwar kommt auch der BFH zu dem Schluss, bei der Übertragung des Grundstücks handle es sich um eine (teil)entgeltliche Übertragung. Allerdings liegt das Entgelt unter dem Buchwert, weshalb durch die Übertragung kein Gewinn entsteht. Entscheidend ist darüber hinaus, dass das Grundstück nicht das Vermögen der Personengesellschaft verlässt, da das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft neben dem Gesamthandsvermögen auch das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter beinhaltet. Der Wechsel eines Wirtschaftsguts von einem Teil des Betriebsvermögens in einen anderen Teil stellt keine Entnahme (im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) dar.
Das von Finanzgericht und Finanzamt befolgte oben genannte BMF-Schreiben bezieht sich aber auf den Fall einer Entnahme. Dies ist im vorliegenden Streitfall nicht gegeben, weshalb das BMF-Schreiben nicht zur Anwendung kommt. Da durch die Übertragung kein Gewinn realisiert wurde, kann auch keine (quotale) Aufdeckung von stillen Reserven erfolgen. Die Übertragung des Grundstücks hat somit zu Buchwerten stattzufinden.
Der Anwendungsbereich des oben genannten BMF-Schreibens wird durch das BFH-Urteil stark eingeschränkt, insbesondere was die Übertragungen innerhalb einer Personengesellschaft betrifft. Wie auch vom BFH in seinem Leitsatz zu diesem Urteil formuliert, kommt es bei der Übertragung eines Wirtschaftsguts vom Sonderbetriebs- zum Gesamthandsvermögen nur dann zu einem steuerbaren Gewinn, wenn das Entgelt den Buchwert des Wirtschaftsguts übersteigt. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 11/2012
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