BFH-Urteil vom 21.8.2012, VIII R 12/11
Gewillkürtes Betriebsvermögen kann nur gebildet werden, wenn das Wirtschaftsgut zu mindestens 10% betrieblich genutzt wird und dessen Zuordnung unmissverständlich, zeitnah und unumkehrbar dokumentiert wird.
[Leitsatz d. Red.]
Praxis-Info!
Problemstellung
In der Einkommensteuererklärung (Einnahmen-Überschussrechnung) für das Jahr 2005 machte ein Selbstständiger bei den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit u.a. Betriebsausgaben für einen Pkw BMW Cabrio geltend, den er nach dem Anlageverzeichnis seiner Gewinnermittlung wie schon im Vorjahr seinem Betriebsvermögen zugeordnet hatte. Der Zweitwagen wurde im Jahr 2004 angeschafft.
Nach Feststellungen des Finanzamts hat der Selbstständige das Fahrzeug zu Unrecht dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet, weil es anders als der unstreitig betrieblich genutzte Pkw – ein Audi A6 – zu weniger als 10% unternehmerisch genutzt werde.
Das Finanzgericht (FG) hat für die Streitjahre (2005 bis 2007) den Nachweis des Selbstständigen gefordert, das Zweitfahrzeug zu mehr als 10% für betriebliche Zwecke eingesetzt zu haben. Nach Auffassung des Selbstständigen sei ein solcher Nachweis jedoch nur für die erstmalige Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen zu erbringen.
Lösung
Zu Recht hat das FG eine Zuordnung des im Jahr 2004 angeschafften Pkw BMW Cabrio zum gewillkürten Betriebsvermögen des Selbstständigen verneint und die insoweit geltend gemachten Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG abgezogen.
Betriebliche Nutzung | Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) oder Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) |
mehr als 50% | 100% notwendiges Betriebsvermögen |
10% bis 50% | 100% gewillkürtes Betriebsvermögen oder 100% Privatvermögen |
unter 10% | 100% notwendiges Privatvermögen |
Auch im Fall der Einnahmen-Überschussrechnung (Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG) kann somit gewillkürtes Betriebsvermögen nur gebildet werden, wenn das Wirtschaftsgut zu mindestens 10% betrieblich genutzt wird und dessen Zuordnung unmissverständlich, zeitnah und unumkehrbar dokumentiert wird. Der Steuerpflichtige trägt dabei die Feststellungslast.
Sofern bei Wirtschaftsgütern, die keine Grundstücke darstellen (z.B. Pkw), der betriebliche Nutzungsanteil zwischen 10% und 50% liegt, können – nicht müssen! – sie als gewillkürtes Betriebsvermögen dem Betriebsvermögen zugeordnet werden (Wahlrecht gemäß R 4.2 Abs. 1 Satz 6 EStR). Ausreichend ist laut BFH die zeitnahe Aufnahme des erworbenen Wirtschaftsguts in das betriebliche Bestandsverzeichnis (R 5.4 Abs. 1 EStR). Dies biete sich gerade im Falle einer Einnahmen-Überschussrechnung an. Darüber hinaus ist allerdings in Zweifelsfällen zeitnah ein hinreichender Nachweis zu erbringen, dass das Wirtschaftsgut im jeweiligen Veranlagungsjahr zu mindestens 10% betrieblich genutzt wurde. Die Finanzverwaltung verlangt ohnehin vom Ersteller einer Einnahmen-Überschussrechnung strenge Nachweise für die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens (siehe BMF-Schreiben vom 17.11.2004, BStBl. I 2004, S. 1064). Die Privatnutzung eines Betriebs-Kfz, das zum gewillkürten Betriebsvermögen gehört, darf (gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) nur anhand eines Fahrtenbuchs oder aufgrund einer Schätzung – bezogen auf die tatsächlichen Kosten (einschließlich der Abschreibung) – ermittelt werden. Die Anwendung der sog. 1%-Bruttolistenpreis-Regelung ist nur beim notwendigen Betriebsvermögen (betriebliche Nutzung > 50%) zulässig.
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Zum gewillkürten Betriebsvermögen zählen neben der privaten Nutzung eines Betriebs-Kfz z.B. auch Grundstücksflächen, die zunächst noch nicht unmittelbar für den Betriebsablauf erforderlich sind (Vorratsgelände), und Mietwohnungen (teilweise Vermietung für gewerbliche Zwecke).
[Anm. d. Red.]
BC 6/2013
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