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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Rückstellung wegen künftiger Betriebsprüfungen bei Großbetrieben

BC-Redaktion

BMF-Schreiben vom 7.3.2013, IV C 6 – S 2137/12/10001

 

Mit Urteil vom 6.6.2012 (I R 99/10) hat der BFH entschieden, dass in der Bilanz einer als Großbetrieb im Sinne von § 3 BpO eingestuften Kapitalgesellschaft Rückstellungen für im Zusammenhang mit einer Außenprüfung bestehende Mitwirkungspflichten gemäß § 200 AO grundsätzlich zu bilden sind, soweit diese die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahre (Prüfungsjahre) betreffen. Die Passivierung einer Rückstellung für diese Kosten sei auch vor Erlass einer Prüfungsanordnung möglich.

Der BFH ließ mangels Entscheidungserheblichkeit die Frage offen, ob eine Rückstellung für Betriebsprüfungskosten auch bei nicht anschlussgeprüften Steuerpflichtigen gebildet werden dürfe. Für diese Steuerpflichtigen kommt die Regelung des § 4 Abs. 2 BpO nicht zur Anwendung. Ebenso blieb mangels Entscheidungserheblichkeit offen, welche Kosten bei der Bewertung der Rückstellung zu berücksichtigen sind.

Auf Grundlage der Erörterung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder gilt für alle noch offenen Fälle Folgendes:

Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 6.6.2012 sind über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden.

Für Steuerpflichtige, bei denen eine Anschlussprüfung im Sinne des § 4 Abs. 2 BpO nicht in Betracht kommt, gelten die Grundsätze des BFH-Urteils nicht. Die Soll-Vorgabe des § 4 Abs. 2 BpO war ein tragender Grund für den BFH, um von einer hinreichend bestimmten, sanktionsbewehrten Verpflichtung auszugehen, bei der die Inanspruchnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Somit kommt die Passivierung einer Rückstellung für Kosten, die in Zusammenhang mit einer zukünftigen möglichen Betriebsprüfung stehen, bei Steuerpflichtigen, die nicht vom Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 BpO umfasst sind, nicht in Betracht.

In die Rückstellung dürfen nur die Aufwendungen einbezogen werden, die in direktem Zusammenhang mit der Durchführung einer zu erwartenden Betriebsprüfung stehen. Hierzu zählen beispielsweise die Kosten, die für die Inanspruchnahme rechtlicher oder steuerlicher Beratung zur Durchführung einer Betriebsprüfung entstehen. Nicht einzubeziehen sind insbesondere die allgemeinen Verwaltungskosten, die

– bei der Verpflichtung zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen gemäß § 257 HGB und § 147 AO,

– der Verpflichtung zur Erstellung des Jahresabschlusses und

– der Verpflichtung zur Anpassung des betrieblichen EDV-Systems an die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)

berücksichtigt worden sind.

Die Rückstellung für diese Mitwirkungsverpflichtung zur Durchführung einer Betriebsprüfung ist als Sachleistungsverpflichtung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG mit den Einzelkosten und den angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten und nach Buchstabe e abzuzinsen.

Zeitliche Anwendung: Dieses BMF-Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Regelungen zur Bilanzberichtigung gemäß R 4.4 Abs. 1 Sätze 3 bis 10 EStR sind zu beachten.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt veröffentlicht.

 

 

Praxis-Info!

Die Frage, ob die Finanzbehörde eine steuerliche Außenprüfung durchführt und auf welche Zeiträume und welche Steuerarten sich die Außenprüfung bezieht, ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde. Die Vornahme lückenloser Prüfungen (sog. Anschlussprüfungen) ist nur bei Großbetrieben, Konzernen und international verbundenen Unternehmen vorgeschrieben (vgl. § 4 Abs. 2 BpO).

Auch bei Klein-, Kleinst- und Mittelbetrieben kann sich allerdings an den Prüfungszeitraum einer vorangegangenen Prüfung eine neue Anschlussprüfung anschließen; § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO lässt eine solche Anschlussprüfung ausdrücklich zu. Ansonsten soll der Prüfungszeitraum bei Mittel- und Kleinstbetrieben drei zusammenhängende Prüfungszeiträume nicht übersteigen.

Nimmt man das oben stehende BMF-Schreiben wörtlich, dürfen Klein-, Kleinst- und Mittelbetriebe selbst dann nicht eine Rückstellung für künftige steuerliche Betriebsprüfungen bilden, wenn bei ihnen eine Anschlussprüfung ansteht. Diese enge Auslegung durch die Finanzverwaltung erscheint nicht sachgerecht und kann daher in naher Zukunft zum Rechtsstreit vor Finanzgerichten führen.

Im dem vom BFH mit Urteil vom 6.6.2012 (I R 99/10) entschiedenen Streitfall bildete ein Großbetrieb eine entsprechende Rückstellung bereits vor Erhalt der Betriebsprüfungsanordnung. Dies hat der BFH für zulässig erklärt: Ein Großbetrieb darf Rückstellungen für Mitwirkungspflichten, die im Zusammenhang mit einer steuerlichen Außenprüfung (gemäß § 200 AO) bestehen, bereits vor Erlass einer Prüfungsanordnung bilden.

 

 

Hinweis:

Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung muss rechtzeitig vor dem Beginn der Prüfung erfolgen. Die angemessene Zeit vor Beginn der Prüfung ist unbestimmter Rechtsbegriff. Nach § 5 Abs. 4 BpO sind für den Regelfall bei Großbetrieben 4 Wochen, bei Mittelbetrieben sowie Klein- und Kleinstbetrieben 2 Wochen angemessen; bei kleineren auch noch eine Woche (FG Hamburg, EFG 94, 76).

 

 

Die von Thurow in BC 2012, 434 (Heft 10), aus dem BFH-Urteil vom 6.6.2012 abgeleitete 50%-Schwelle hinsichtlich der Prüfungsdichte, bei deren Überschreiten eine Bildung der Rückstellung für künftige steuerliche Betriebsprüfungen als zulässig erachtet wurde, ist mit Blick auf das obige BMF-Schreiben nicht mehr maßgebend.

 

 

Praxishinweise:

Nicht sonderlich auskunftsbereit gibt sich das oben genannte BMF-Schreiben dahingehend, welche Aufwendungen konkret in die Rückstellung für künftige steuerliche Betriebsprüfungen einbezogen werden dürfen. Als Aufwendungen, „die in direktem Zusammenhang mit der Durchführung einer zu erwartenden Betriebsprüfung stehen“, werden beispielhaft recht allgemein die Kosten „für die Inanspruchnahme rechtlicher oder steuerlicher Beratung zur Durchführung einer Betriebsprüfung“ genannt. U.E. müssten hierbei u.a. auch Raumkosten für den steuerlichen Betriebsprüfer sowie Personal- und Sachkosten für alle in die Prüfung involvierten Mitarbeiter – und nicht nur die entsprechenden Aufwendungen für den Steuerberater und/oder Rechtsanwalt – in Betracht kommen.

Seit Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) sind bei Rückstellungen in der Handelsbilanz (gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB) künftige Preis- und Kostensteigerungen (vor allem ist hier an Lohn- und Gehaltssteigerungen zu denken) zu berücksichtigen. Die Höhe der Rückstellung hängt somit von den Preis- und Kostenverhältnissen im Zeitpunkt des tatsächlichen Anfalls ab. In der Steuerbilanz ist jedoch die Berücksichtigung künftiger Preis- und Kostensteigerungen bei der Rückstellungsbewertung unzulässig; es sind die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG). Die Rückstellung ist in der Regel abzuzinsen (Laufzeit mehr als ein Jahr).

 

[Anm. d. Red.] 

 

 

BC 4/2013

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