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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Passivierung „angeschaffter“ Pensionsrückstellungen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 12.12.2012, I R 69/11

 

Werden betriebliche Pensionsverpflichtungen aufgrund einer sog. Direktzusage im Zuge eines Betriebserwerbs übernommen, sind sie nicht mit dem besonderen Teilwert nach § 6a Abs. 3 EStG 1997, sondern als ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen und vom Erwerber – auch an den nachfolgenden Bilanzstichtagen – ausschließlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997 mit ihren Anschaffungskosten oder ihrem höheren Teilwert zu bewerten.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

In dem vom BFH entschiedenen Streitfall ging es um die Bewertung der Pensionsrückstellung nach einem Betriebserwerb. Eine GmbH hatte zum Übertragungsstichtag 1.11.1999 einen Betrieb erworben und diesen fortgeführt. Hinsichtlich der gegenüber den Arbeitnehmern bestehenden Pensionsverpflichtungen hatte die Veräußerin eine Erstattung im Wege der Verrechnung mit dem Kaufpreis vorgenommen.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Pensionsrückstellung sei zwar zum Zeitpunkt der Betriebsübernahme mit den Anschaffungskosten auszuweisen, da sich bei einer entgeltlichen Übertragung der Teilwert nicht nach § 6a EStG, sondern nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG bemesse. In der Folgebilanz zum 31.12.1999 gehe die Spezialvorschrift des § 6a EStG den allgemeinen Vorschriften jedoch wieder vor, und die Rückstellung sei mit dem niedrigeren, in dem versicherungsmathematischen Gutachten ermittelten Betrag auszuweisen.

Dem folgte der BFH nicht und wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück.

 

 

Lösung

Der BFH wendet sich damit wiederum gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, die im Fall der Schuldübernahme eine Beachtung der Passivierungsbeschränkungen an den nachfolgenden Bilanzstichtagen verlangt hatte, so etwa mit BMF-Schreiben vom 24.6.2011 (IV C 6 – S 2137/0-03, BStBl. I 2011, S. 627). Zur Begründung verweist der BFH auf das Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB), wonach Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln sind. Dies gelte

– auch für übernommene Passivposten und

– unabhängig davon, ob deren Ausweis in der Steuerbilanz einem von der Handelsbilanz abweichenden Ausweisverbot unterliegt.

Folglich sei – in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung (siehe Hinweise unten) – auch die Übernahme steuerrechtlich zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts und erhöhe dessen Anschaffungskosten. Die Ansatzverbote greifen nicht, wenn die Verpflichtung entgeltlich erworben wird, denn dann ist sie realisiert. Deshalb ist sie im Übernahmezeitpunkt und zu den folgenden Bilanzstichtagen passivisch entsprechend auszuweisen, unabhängig davon, ob die Schuld im Wege eines (internen) Schuldbeitritts oder einer Vertragsübernahme (§ 414 BGB oder wie hier § 613a BGB) übernommen wird.

Nichts anderes könne für die durch § 6a Abs. 3 EStG sondergesetzlich vorgegebene Teilwertberechnung von Pensionsanwartschaften gelten. Diese seien ebenfalls mit den tatsächlichen Verpflichtungswerten, welches die Anschaffungskosten sind, auszuweisen. Die besondere Teilwertberechnung des § 6a Abs. 3 EStG gelte nicht, da die Anwartschaften infolge ihrer Anschaffung realisiert seien.

 

 

Praxishinweise:

  • Zuvor hatte der BFH entsprechend mit Urteil vom 16.12.2009 (I R 102/08, BStBl. II 2011, S. 566) für Drohverlustrückstellungen nach § 5 Abs. 4a EStG entschieden. Die dort gebildete Ansicht hat er dann im Urteil vom 14.12.2011 (I R 72/10) für Jubiläumsrückstellungen nach § 5 Abs. 4 EStG fortgeführt. Mit einem weiteren Urteil vom gleichen Tage bestätigte der BFH die Grundsätze des vorliegend besprochenen Urteils auch für den Fall der Pensionsverpflichtungen, die bei einer Ausgliederung zur Neugründung übernommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2012, I R 28/11).
  • Insbesondere ist es für den BFH unbeachtlich, ob „der gebotene Passivausweis, wie vom Finanzamt geargwöhnt, … in Konzernen Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen kann“. Zu besteuern seien nur tatsächliche Gewinne, nicht aber fiktive Erwerbsgewinne („one day gain“); dem sei bei Beurteilung voneinander abweichender Lebenssachverhalte – hier die „originäre“ Rückstellungsbildung, dort der „derivative“ Erwerb der zugrunde liegenden Verpflichtung – vom Rechtsanwender Rechnung zu tragen (zur Übertragung von Pensionsverpflichtungen im Konzern als Instrument zur Aufdeckung von stillen Lasten vgl. Mrowka, Zur Bilanzierung „angeschaffter“ Verbindlichkeiten und Rückstellungen, BiM 2013, 8 ff., insbes. S. 11).
  • Zu beachten ist nach Hinweisen von Huken in DB vom 2.4.2013 (siehe unter DB0585401), dass der Gesetzgeber an einer sog. rechtsprechungsbrechenden Regelung arbeitet (vgl. zuvor bereits Mrowka, BiM 2013, 8 ff.). Bereits in 2012 hatte der Bundesrat eine gesetzliche Regelung zur Anwendung der Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bei der Übernahme von Verpflichtungen vorgeschlagen. Dieser Vorschlag war jedoch zunächst nicht aufgegriffen worden, soll nun aber nach einer BR-Stellungnahme vom 22.3.2013 in das AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz aufgenommen werden (BR-Drucks. 95/13 (B)). Damit soll die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung in den Fällen der Schuldübernahme gesetzlich festgeschrieben und auf die Fälle der Schuldfreistellung erstreckt werden. Der geplante § 5 Abs. 7 EStG-E sieht vor, dass übernommene Verpflichtungen zu den auf die Übernahme folgenden Bilanzstichtagen beim Übernehmer oder dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren sind, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne die Übernahme zu bilanzieren wären. Folglich unterlägen sie somit dann beim Übernehmer wieder den steuerlichen Passivierungsbeschränkungen. Darüber hinaus soll ein neuer § 4f EStG-E missbräuchliche Gestaltungen durch Schuldübernahmen oder -freistellungen im Konzern verhindern (vgl. Huken in DB vom 2.4.2013, unter DB0585401). Die weitere Entwicklung bleibt insoweit vorerst abzuwarten.

 

 

Die Beteiligten stritten außerdem darüber, ob nach Beendigung einer Organschaft ein Verlustrücktrag in das letzte der Organschaft vorangehende Jahr möglich ist. Die Klägerin war in den Jahren 2000-2002 Organgesellschaft und beantragte, den ihr im Jahr 2003 entstandenen gesondert festgestellten Verlustabzug in das Streitjahr 1999 zurückzutragen. Dieses sei der unmittelbar vorangegangene Veranlagungszeitraum im Sinne des § 10d Abs. 1 EStG, da sie während des Organschaftsverhältnisses nicht selbstständig zur Körperschaftsteuer veranlagt worden sei. Das Finanzamt lehnte dies ab. Klage und Revision blieben insoweit erfolglos.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

 BC 5/2013

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