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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Bildung einer Rückstellung wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtung

BC-Redaktion

BFH-Urteil vom 13.12.2007, IV R 85/05

 

Zur Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung für eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung (z.B. im Bereich des Umweltschutzes) ist u.a. maßgeblich, ob sie vor dem Bilanzstichtag rechtlich entstanden ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die diesbezügliche Rechtsnorm (Gesetz oder Verordnung) eine Frist für ihre Erfüllung enthält, die am maßgeblichen Bilanzstichtag noch nicht abgelaufen ist.

[Leitsatz der Red.]

 

 

Praxis-Info!

 

 

Problemstellung

 

Die Tankstellen GmbH & Co. KG war u.a. aufgrund der Bundes-Immissionsschutz-Verordnung verpflichtet, verschiedene Tankstellen mit einem Gasrückführungssystem (Gaspendelung) und mit flüssigkeitsundurchlässigen Bodenbefestigungen nachzurüsten. Dies sollte spätestens bis 31.12.1997 bzw. 31.12.1998 geschehen:

  • Hinsichtlich der Bodenbefestigungen wurde im Jahr 1996 bereits ein erster Teil der Maßnahmen durchgeführt, weshalb das Unternehmen diese Aufwendungen im Jahresabschluss für 1996 aktivierte.
  • Für die hiermit zusammenhängenden künftigen Aufwendungen („flüssigkeitsdichte Fahrbahnen“ und „Gaspendelung“) bildete das Unternehmen bis zum 31.12.1996 entsprechende Rückstellungen.

Das Finanzamt wollte die Rückstellungen für künftige Herstellungskosten bezüglich der Bodenbefestigungen nicht anerkennen. Zu den Maßnahmen wegen der Gaspendelung wurde die Auffassung vertreten, entsprechende Rückstellungen dürften erst gebildet werden, wenn die für diese Maßnahmen gesetzte gesetzliche Frist abgelaufen sei.

 

 

Lösung

 

Der BFH gab dem Finanzamt Recht: Die Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Ausrüstung der Zapfsäulen mit einem Gasrückführungssystem sei nicht zulässig.

Die Pflicht zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzt allgemein voraus:

  • das Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde und/oder der Höhe nach,
  • die wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag und
  • die (erwartete) ernsthafte Inanspruchnahme des Schuldners.

Im Streitfall war die öffentlich-rechtliche Verpflichtung weder rechtlich noch wirtschaftlich vor dem 31.12.1996 entstanden.

Aus rechtlicher Sicht gewährte die Bundes-Immissionsschutz-Verordnung eine Übergangsfrist bis zum 31.12.1997. Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, wenn eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung nach den einschlägigen Rechtsnormen sofort zu erfüllen ist, dem Unternehmen jedoch für die Erfüllung dieser Verpflichtung durch die zuständige Behörde eine in den Rechtsnormen selbst nicht bestimmte Frist eingeräumt wird (Schonfrist).

Die wirtschaftliche Verursachung oder wirtschaftliche Entstehung im Sinne des Rückstellungsbegriffs setzen voraus: Der Tatbestand (hier: die Abgabe von Kraftstoff an den Zapfanlagen), an den das Gesetz die Verpflichtung knüpft, ist im Wesentlichen verwirklicht. Die Verpflichtung im vorliegenden Fall war an die künftige Abgabe von Kraftstoff an den Zapfanlagen und nicht an die bislang vorgenommene gebunden.

 

Praxishinweis:

Immer wieder taucht bei der handels- und steuerrechtlichen Bilanzierung die Frage auf, ob eine Rückstellung alleine aufgrund einer bestehenden rechtlichen Verpflichtung gebildet werden muss oder ob auch zusätzlich eine wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit vorliegen muss. Mit Urteil vom 30.1.2002 (IR 71/00) beispielsweise hat der BFH entschieden, eine rechtliche Verpflichtung sei als ausreichender Grund für eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten anzusehen (vgl. Frye, BC 11/2002, S. 246).

Dem widerspricht das Bundesfinanzministerium (Schreiben vom 21.1.2003, IV A 6 – S 2137 – 2/03; BC 2/2003, S. VIII, hier), während das aktuelle BFH-Urteil vom 13.12.2007 diese Problematik umgeht. Bei der Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten müssen – insbesondere im Bereich des Umweltschutzes (z.B. behördliche Anordnung zur Erfüllung von Umweltauflagen) – folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Verpflichtung muss rechtlich entstanden oder wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht sein (nach Auffassung der Finanzverwaltung müssen jedoch beide Voraussetzungen erfüllt sein, siehe oben).
  • Es muss sich um eine Außenverpflichtung handeln.
  • Über die Höhe, das Bestehen der Verpflichtung oder über beides muss Ungewissheit bestehen.
  • Bei Verpflichtungen aus öffentlichem Recht ist eine Rückstellungsbildung nur zulässig, wenn
    - sich ein genau bestimmbares Handeln aus einem einschlägigen Gesetz oder aber aus einer entsprechenden Verwaltungsanordnung ergibt,
    - das Handeln innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen muss und
    - die Nichtbefolgung an Sanktionen geknüpft ist.
    Andernfalls handelt es sich um bloßen künftigen Betriebsaufwand.

 

[Anm. d. Red.]

 

BC 5/2008

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