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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Aktiver Rechnungsabgrenzungsposten für Kfz-Steuer

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 19.5.2010, I R 65/09

Für Kfz-Steuer, die in einem Wirtschaftsjahr gezahlt wird, ist in der Bilanz gewinnerhöhend ein Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren, soweit die Steuer auf die voraussichtliche Zulassungszeit des Fahrzeugs im nachfolgenden Wirtschaftsjahr entfällt und wesentlich (nicht geringfügig) ist.

[Leitsatz d. Red.]

 

 

Praxis-Info!

 

 

Problemstellung

 

Ein Unternehmen ermittelte für das abgelaufene Geschäftsjahr Betriebsausgaben für Kfz-Steuern in Höhe von 100.000 €. Hiervon entfallen 35.000 € auf die Zulassungszeit im folgenden Geschäftsjahr. Streitig war, ob diese 35.000 € als Aufwand im Geschäftsjahr zu bilanzieren oder als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu erfassen sind.

Hierzu gibt es zwei widersprüchliche Finanzgerichtsurteile:

  • Das FG Hessen kommt in seinem Urteil vom 6.11.2008 (9 K 2244/04 – siehe hier) zu dem Schluss, selbst geringfügige Beträge für anteilige Kfz-Steuer seien als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilanzieren (das Urteil wurde bereits vom BFH relativiert – Urteil vom 18.3.2010, X R 20/9).
  • Nach Ansicht des FG Thüringen besteht hingegen ein Ansatzverbot für vorausbezahlte Kfz-Steuern (vgl. Urteil vom 25.2.2009, I 443/0604 – siehe hier). Das Ansatzverbot stützt sich dabei auf die Argumentation, Rechnungsabgrenzungsposten seien nur bei Bestehen eines gegenseitigen Leistungsverhältnisses zu bilden. Dieses gegenseitige Leistungsverhältnis sei nach Auffassung des FG Thüringen nicht vorhanden, da die Zahlung der Kfz-Steuer keine Gegenleistung begründet.

 

 

Lösung

 

Gemäß aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die 35.000 € „vorausgezahlte Kfz-Steuer“ als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten (ARAP) zu aktivieren. Begründung: Der Besteuerungstatbestand der Kfz-Steuer wird durch das fortdauernde Halten des Kraftfahrzeuges begründet. Die Kfz-Steuerschuld entsteht (vorbehaltlich § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG) tageweise. Dabei ist zwischen Steuerschuld und Steuerzahlungsschuld zu unterscheiden. Letztere beginnt mit dem Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums. Dabei besagt § 11 Abs. 1 KraftStG: „Die [Kfz-]Steuer ist jeweils für die Dauer eines Jahres im Voraus zu entrichten.“

Somit entsteht die Steuerschuld tageweise, während die Steuerzahlungsschuld zu Beginn des Entrichtungszeitraums für ein Jahr im Voraus entsteht. Demzufolge handelt es sich bei den 35.000 € um Ausgaben im laufenden Geschäftsjahr, die aber erst im folgenden Jahr begründet werden. Deshalb kann der Aufwand auch nur im folgenden Jahr anfallen. Das Auseinanderklaffen von Ausgabe und Aufwand bewirkt die Bilanzierung der 35.000 € als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten.

Gemäß dem BFH-Urteil ist das Argument des FG Thüringen, der Kfz-Steuer stehe keine Gegenleistung gegenüber (vgl. auch § 3 Abs. 1 AO), unerheblich. Vielmehr ist allein entscheidend: Die Kfz-Steuer wird für das berechtigte Halten von Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zeitbezogen auf die Dauer der Zulassung des Fahrzeuges und jährlich im Voraus erhoben.

 

 

Der ARAP in HGB und IFRS

 

Das aktuelle BFH-Urteil rückt „die Welt“ der HGB-Bilanzierer wieder zurecht. Denn bis zum Urteil des FG Thüringen, das nun aufgehoben wurde, entsprach die Aktivierung eines Rechnungsabgrenzungspostens für vorausbezahlte Kfz-Steuer der gängigen Bilanzierungspraxis.

Die Bilanzierungspraxis für Rechnungsabgrenzungsposten wurde durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) teilweise geändert. Die in § 250 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 HGB a.F. aufgeführten spezifischen Wahlrechte zur Bilanzierung eines Rechnungsabgrenzungspostens wurden gestrichen. Dies betrifft

– die aktive Abgrenzung von als Aufwand berücksichtigten Zöllen oder Verbrauchsteuern und

– die aktive Abgrenzung von als Aufwand berücksichtigter Umsatzsteuer.

Steuerrechtlich besteht (gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 EStG) allerdings weiterhin ein Ansatzgebot. Somit kommt es zu einer Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz. Einzig das in § 250 Abs. 3 HGB kodifizierte Wahlrecht zur Abgrenzung eines Disagios ist erhalten geblieben.

In den Rechnungslegungsstandards der IFRS sind Rechnungsabgrenzungsposten nicht gesondert geregelt. Gleichwohl besagt IAS 1.27, Unternehmen haben ihren Abschluss nach dem Konzept der Periodenabgrenzung aufzustellen.

Dabei werden zur Periodenabgrenzung keine separaten Rechnungsabgrenzungsposten verwendet; vielmehr sind die Posten (gemäß IAS 1.28) als Vermögenswerte (assets) oder als Schulden (liabilities) zu erfassen. Entscheidend ist, dass sie den Ansatzkriterien des IFRS-Rahmenkonzepts entsprechen, also insbesondere ob ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen bzw. eine künftige wirtschaftliche Belastung entsteht. Aktive Rechnungsabgrenzungen sind nach IFRS – je nach Sachverhalt – als Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder als sonstige Forderungen auszuweisen. Ferner sind Rechnungsabgrenzungsposten gemäß ihrer Fälligkeit in „kurzfristige“ und „langfristige“ Vermögenswerte zu untergliedern.

Zölle und andere Steuern sind (gemäß IAS 2.11) als Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren, sofern das Unternehmen sie nicht von den Steuerbehörden zurückverlangen kann.

Das im deutschen Bilanzrecht vorgesehene Aktivierungswahlrecht für ein Disagio existiert in den IFRS nicht. Stattdessen ist das erhaltene Darlehen (gemäß IAS 39.43) mit dem niedrigeren Auszahlungsbetrag zu passivieren. Anschließend ist das Darlehen über die vereinbarte Laufzeit um den der betreffenden Berichtsperiode zugeordneten Disagioanteil, der mit Hilfe der Effektivzinsmethode ermittelt wird, sukzessive (durch Zuschreibung) zu erhöhen (vgl. IAS 39.47).

Bei geringfügigen Beträgen kann es zu einer Abweichung von IFRS und deutscher Bilanzierung kommen:

  • Der BFH setzt in der Revision des Urteils des FG Hessen als Wesentlichkeitsgrenze die in der aktuellen Fassung des § 6 Abs. 2 EStG genannte GWG-Grenze für selbstständig abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens an (zurzeit 410 €). Diese steuerliche Regelung dürfte überwiegend auch in die handelsrechtliche Rechnungslegungspraxis übernommen werden, um Abweichungen zwischen beiden Rechenwerken zu vermeiden. Schließlich gilt es in der Fachliteratur zum Handelsrecht als zulässig, auch von der Bilanzierung geringfügiger Rechnungsabgrenzungsposten abzusehen.
  • Im IFRS-Abschluss können allerdings auch höhere Beträge als unwesentlich betrachtet werden. Gemäß den Kriterien der Wesentlichkeit (materiality) und der Nützlichkeit der Information für die Entscheidungsfindung (decision usefulness) kann die Periodenabgrenzung unterbleiben, wenn dadurch die Aussagekraft des Abschlusses nicht beeinflusst wird.

 

Praxisfokus:

  • Auf das Folgejahr entfallende, aber bereits gezahlte Kfz-Steuern sind nach dem Urteil des BFH vom 19.5.2010 als aktive Rechnungsabgrenzungsposten zu bilanzieren.
  • Bei Beträgen unterhalb der in § 6 Abs. 2 EStG genannten GWG-Grenze (zurzeit 410 €) besteht ein Aktivierungswahlrecht in der Steuerbilanz, das auch für die HGB-Bilanzierung übernommen werden dürfte.
  • Die Wahlrechte zur aktiven Abgrenzung von als Aufwand berücksichtigten Zöllen, Verbrauchsteuern und Umsatzsteuer sind durch die Neuregelungen des BilMoG entfallen, während in der Steuerbilanz hierfür ein Ansatzgebot besteht.
  • Die IFRS-Rechnungslegung folgt (gemäß IAS 1.27) ebenfalls dem Konzept der Periodenabgrenzung. Die Abgrenzungen sind allerdings nicht als eigenständiger Rechnungsabgrenzungsposten, sondern als Teil der Forderungen zu bilanzieren, soweit sie den Ansatzkriterien für Vermögenswerte entsprechen. Dabei sind die Grundsätze der Wesentlichkeit (materiality) und der Nützlichkeit der Information für die Entscheidungsfindung (decision usefulness) zu beachten.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Christian.Thurow@sc.com)

 

BC 9/2010

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