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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Darlehensgewährung mit steigenden Zinssätzen: Passivierung gemäß wirtschaftlicher Betrachtungsweise

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 25.5.2016, I R 17/15

 

Für die Verpflichtung, eine am Bilanzstichtag bestehende Darlehensverbindlichkeit in späteren Jahren höher zu verzinsen (Darlehen mit steigenden Zinssätzen), ist in der Bilanz grundsätzlich eine Verbindlichkeit oder eine Rückstellung wegen eines wirtschaftlichen Erfüllungsrückstands auszuweisen. Eine solche Zinsverbindlichkeit ist abzuzinsen.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Streitig war im entschiedenen Fall letztlich, ob für einen Bilanzierungssachverhalt eine zivilrechtliche oder eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich ist. Es ging dabei um den Erwerb von in luxemburgischem Besitz befindlichen GmbH-Anteilen durch eine US-GmbH, wobei die Kaufpreisschuld in ein Darlehen mit zehnjähriger Laufzeit umgewandelt wurde. Postwendend erfolgte am gleichen Tag eine Darlehensabtretung an eine Schwestergesellschaft dieser US-GmbH. Die Besonderheit dieser Darlehensgewährung lag darin, dass nicht ein über alle Jahre gleichbleibender Zinssatz anzuwenden war, sondern für jedes Jahr der Laufzeit ein gesonderter Zinssatz. Dabei lag die Höhe der Zinssätze für die zweite Hälfte der Laufzeit deutlich höher als zu Beginn im Jahr 2008 (progressiver Verlauf, damals 1,8%, für 2017 fast 11%).

Als Vorinstanz hatte das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg im Urteil vom 28.7.2014 (Az.: 10 K 3184/13) – wie zuvor die Finanzverwaltung – auf den Zinssatz des ersten Jahres abgestellt.

 

 

Lösung

Der BFH kommt zunächst mit einfachen Worten zu einer fast selbstverständlich erscheinenden Lösung: „Wegen der Verpflichtung, die am Bilanzstichtag bestehende Darlehensverbindlichkeit in späteren Jahren höher zu verzinsen, hat die Klägerin zu Recht – ausgehend von der Durchschnittsverzinsung – einen Passivposten in ihrer Bilanz angesetzt. Allerdings ist die Zinsverbindlichkeit abzuzinsen.“

Was macht den Fall so kompliziert – so fragt sich zumindest der wirtschaftlich vorgebildete Leser –, dass der BFH aber keine abschließende Entscheidung treffen mag? Vielmehr halten es die BFH-Richter für erforderlich, dass es „dazu sowie zur Frage der steuerlichen Anerkennung des Darlehensvertrags … noch weiterer tatsächlicher Feststellungen“ bedarf. Und weshalb füllt der BFH viele Textziffern mit Ausführungen zur Entstehungsgeschichte der GoB und insbesondere zu den Voraussetzungen von Erfüllungsrückständen? Diese Frage stellt sich vor allem auch deswegen, weil der BFH nach diesen Erörterungen in Tz. 21 wieder auf den Kern des Problems zurückkommt: „Fraglich ist damit im Streitfall allein, ob für die Höhe des zu passivierenden Erfüllungsrückstandes auf die zivilrechtliche Abrede, wonach im ersten Vertragsjahr lediglich ein Zins in Höhe von 1,8% der Darlehenssumme zu leisten ist, oder in wirtschaftlicher Betrachtung auf die dem Vertrag als eine Art ‚Geschäftsgrundlage‘ zugrundeliegende Durchschnittsverzinsung und damit auf die ansteigenden … Zinsverbindlichkeiten der Folgejahre abzustellen ist. Letzteres ist der Fall.“

Dem ist zuzustimmen, zumal die vom FG angewandte rein zivilrechtliche Orientierung (Maßgeblichkeit des für das erste Vertragsjahr schuldrechtlich vereinbarten Zinssatzes) schon infolge „der mittlerweile ständigen BFH-Rechtsprechung, nach der letztendlich eine an wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierte Betrachtung ausreichend ist“, abzulehnen ist. Das führt den BFH zu der – für BWL-Studenten und Bilanzbuchhalter wenig überraschenden – Erkenntnis, dass „… die von der Klägerin am Bilanzstichtag noch geschuldeten zukünftigen Zinszahlungen die Gegenleistung für die gesamte neunjährige Kapitalüberlassung des Darlehensgebers“ darstellen.

 

 

Praxishinweise:

  • Wer nun meint, dass alles gesagt sei, sieht sich getäuscht. Denn vom BFH werden Parallelen zu Zuwachssparverträgen und Sparprämien ebenso erörtert wie das Wesen der Zeitraumbezogenheit von Zinszahlungspflichten und die Frage, ob bei zehnjähriger Laufzeit eine „kurzfristige Verbindlichkeit“ vorliegen könnte.
  • Zahlenmäßige Konkretisierungen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise mag der BFH andererseits aber nicht selbst vornehmen, denn: „Zur Durchführung der Abzinsungsberechnung ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.“
  • Ob die FG-Richter sich der vom BFH verweigerten Taschenrechner-Bedienung stellen oder auf entsprechend arbeitssparende Vorlagen der Beteiligten hoffen dürfen, bleibt abzuwarten, ist aber auch nur am Rande erwähnenswert. Denn der Vorinstanz wird für den zweiten Rechtsgang die Beantwortung einer ungleich schwierigeren, aber auch interessanteren Frage zugewiesen, nämlich ob der Darlehensvertrag mit Blick auf die progressive Zinsabrede und den Bindungszeitraum steuerrechtlich überhaupt anzuerkennen ist.
  • Eine solche Abrede hält der BFH offenbar für so befremdlich, dass geprüft werden muss, ob sie einem Fremdvergleich standhält. Das dürfte wiederum sehr viele Textzeilen mit sich bringen, denn dass Fremdvergleich nicht immer gleich Fremdvergleich ist, kann bereits der Besprechung des zu Angehörigen-Verträgen ergangenen BFH-Urteils vom 22.10.2013 (X R 26/11, vgl. Thurow, BC 2014, 7, Heft 1) entnommen werden. Vielleicht sollte dann auch analysiert werden, was es mit der aus betriebswirtschaftlicher Sicht eher befremdlich anmutenden Tatsache auf sich hat, dass am Tag der Darlehensgewährung eine Abtretung an eine Konzerngesellschaft stattfand – eine Gestaltung, die der BFH aber, soweit ersichtlich, nicht hinterfragt.
  • In der Gesamtschau bleibt freilich die vom BFH zementierte Vorrangstellung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gegenüber einem fiskalisch favorisierten zivilrechtlichen Blickwinkel festzuhalten. Dafür gebührt den Münchener Finanzrichtern Anerkennung, auch wenn der Weg zu diesem Ergebnis über Rom geführt haben mag. Dass BC-Leser diesen Umweg nicht mitgehen müssen, sondern direkter zum eigentlich wichtigen Kern geführt werden, darf – in wiederum streng wirtschaftlicher Betrachtungsweise – als Argument für den Nutzen eines Abonnements hier ausnahmsweise einmal eigenlöblich angefügt werden.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

 

BC 11/2016

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