Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 13.7.2017, VI R 62/15
Sofern ein unter Angehörigen geschlossener Darlehensvertrag nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes steuerrechtlich anzuerkennen ist, sind unverzinsliche (betriebliche) Verbindlichkeiten aus diesem Darlehen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen.
Praxis-Info!
Problemstellung
In dem zum BFH gelangten Verfahren war streitig, ob Darlehen zwischen Ehegatten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG gewinnerhöhend abzuzinsen sind. Die Ehefrau hatte ihrem Ehemann für dessen Gewerbebetrieb und land- und forstwirtschaftlichen Betrieb jeweils zinslos Geldbeträge zur Verfügung gestellt, die in den Bilanzen des Gewerbebetriebs zum 31.12.2006 und des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 als Darlehen ausgewiesen wurden.
Hierzu hatte das Finanzamt die Auffassung vertreten, dass die Darlehen steuerlich anzuerkennen und wegen deren Unverzinslichkeit (gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen seien. Infolgedessen legte es der Besteuerung sich dadurch ergebende Gewinnerhöhungen bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb sowie aus Land- und Forstwirtschaft zugrunde. Hiergegen richtete sich die Klage, die dann zunächst das Finanzgericht (FG) abgelehnt hatte.
Lösung
Der BFH hat sich der Auffassung des FG angeschlossen: Auch unverzinsliche betriebliche Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbstständigen oder Land- und Forstwirt für mehr als zwölf Monate gewährt, sind demnach abzuzinsen.Voraussetzungen hierfür sind, dass
- der Darlehensvertrag steuerlich anzuerkennen ist und
- es sich um eine betriebliche Verbindlichkeit handelt.
Letzteres war vorliegend der Fall, da die Darlehensmittel der Ablösung betrieblicher Bankschulden des Klägers dienten. Auch die grundsätzliche steuerliche Anerkennung wurde bejaht, da in den zunächst mündlich und dann schriftlich niedergelegten Darlehensvereinbarungen Hingabe, Rückzahlung der Darlehensvaluta und Zinssatz klar und eindeutig geregelt worden waren. Da kam es für den BFH nicht mehr darauf an, dass sonst verkehrsübliche Sicherheiten nicht geleistet worden waren. Denn trotz fehlender Sicherheiten sei die Darlehensgewährung steuerrechtlich anzuerkennen, wenn das Rechtsgeschäft von volljährigen und voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen geschlossen und tatsächlich durchgeführt wurde.
- Der betriebliche Charakter einer Verbindlichkeit ist nach deren Entstehungsgrund zu beurteilen, der hier in der Ablösung von betrieblichen Bankverbindlichkeiten des Ehemanns liegt; dann kommt es für die steuerliche Qualifizierung auf den Wechsel in der Person des Gläubigers nicht mehr an. Auch bei einem Gefälligkeitsdarlehen unter Verwandten ist allein der vom Darlehensnehmer mit der Darlehensaufnahme verfolgte Zweck entscheidend.
- Für die steuerliche Anerkennung war entscheidend, dass in den mündlich vereinbarten, später auch schriftlich niedergelegten Darlehensvereinbarungen Hingabe, Rückzahlung der Darlehensvaluta und Zinssatz klar und eindeutig geregelt waren. Aus fehlenden Sicherheiten und der Ertragslosigkeit habe das FG nicht zwingend auf die Fremdunüblichkeit der (gesamten) Darlehensvereinbarung schließen müssen. Da es auf die Würdigung der objektiven Gesamtumstände ankommt, schließt dem BFH zufolge nicht mehr – wie nach früherer Auffassung – jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus.
- Der Abzinsungsbetrag konnte auch nicht durch die Buchung einer Einlage neutralisiert werden. Zwar sei die Zinslosigkeit des Darlehens außerbetrieblich motiviert; bloße Nutzungsvorteile seien jedoch nicht einlagefähig.
- Verfassungsrechtliche Bedenken teilte der BFH nicht: Die Abzinsung von Darlehen für Zwecke der Besteuerung sei als solche weder sachwidrig noch unverhältnismäßig; sie dient vielmehr der Verteilung des Zinsaufwands nach Maßgabe einer wirtschaftlichen Zuordnung.
- Die damit im Streitfall zu tragenden Folgen der Unverzinslichkeit hätten leicht vermieden werden können. Dazu führt der BFH selbst wörtlich aus: „Zu einer Ausnahmeregelung in Bezug auf Angehörigendarlehen war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, zumal der in diesem Fall eintretende vorzeitige Gewinnausweis durch die Vereinbarung einer – sehr geringen – Verzinsung vermieden werden kann.“
- Es zeigt sich an diesem Fall, dass schenkungsnahe Gestaltungen neben den erhofften Vorteilen auch unerwünschte Nebeneffekte mit sich bringen können. In vorweihnachtlicher Zeit – wie vorliegend mit der Veröffentlichung dieses Beitrags am 20.12.2017 – werden bekanntlich viele Wunschzettel geschrieben. Sollte darauf auch ein Darlehen von einem Angehörigen zinslos erbeten werden, kann dem Wunschzettel-Schreiber mit dem Verweis auf diese BFH-Entscheidung klargemacht werden, dass es manchmal besser ist, wenn nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen.
- Der BFH betont in dem der Land- und Forstwirtschaft nahestehenden Fall, dass es sich um einen volljährigen und wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen handeln muss, dem das Darlehen gewährt wird. Ob für unter dem Pantoffel, der Knute oder gar der Fuchtel des Partners stehende Ehegatten etwas anderes gelten würde, was zumindest früher unter süddeutschen „zänkischen Bauersleut“ und in norddeutschen Ohnesorg-Komödien häufiger vorkam, kann hier mangels einschlägiger Tatsachenfeststellungen offenbleiben.
|
Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 1/2018
becklink400234