FG Köln, Beschluss vom 12.10.2017, 10 K 977/17
Pensionsrückstellungen sind in Handels- und Steuerbilanz unterschiedlich zu bewerten. Durch das „Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie“ vom 16.3.2016, welches bei der Ermittlung des handelsrechtlichen Abzinsungszinssatzes (seit 2016) auf den Zehn-Jahres-Durchschnittswert abstellt, wird diese Differenz zwischen handels- und steuerbilanziellem Ansatz noch verstärkt. Das FG Köln hat Zweifel, dass die steuerliche Bewertung noch verfassungskonform ist.
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Problemstellung
Bei einem mittelständischen Unternehmen ergab sich unter Anwendung des sog. atmenden Rechnungszinsfußes in Höhe von 3,89% ein handelsbilanzieller Ansatz der Pensionsrückstellung von rund 9,8 Mio. €. Steuerbilanziell erfolgte die Abzinsung aufgrund der Vorschriften des § 6a EStG mit 6%, was einen steuerbilanziellen Ansatz der Pensionsrückstellungen in Höhe von rund 7,4 Mio. € zur Folge hatte.
Hiergegen erhob das Unternehmen Klage, da aus seiner Sicht die Vorschriften des § 6a EStG gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.
Lösung
Auch das FG Köln hält den steuerrechtlich vorgeschriebenen Rechnungszinsfuß für verfassungswidrig und ersucht daher das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) um eine Vorab-Entscheidung. Folgende Punkte sind aus Sicht des FG Köln nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG vereinbar:
- § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG führt zu einer Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem mit Blick auf anderweitigen Aufwand, da bei anderen Rückstellungsarten ein abweichender Rechnungszinsfuß verwendet wird. Durch den starren, marktfernen Rechnungszinsfuß kommt es hier zu einer Durchbrechung des Realisationsprinzips.
- Durch den starren Rechnungszinsfuß werden Steuerpflichtige – unabhängig von der individuellen Rendite bzw. der individuellen Finanzierunglage – gleich behandelt. Dies führt zu einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem.
- Der Rechnungszinsfuß soll mindestens der Rendite entsprechen, die das Unternehmen auf längere Sicht mit dem durch die Pensionsrückstellungen gebundenen Kapital erwirtschaften kann und gleichzeitig an den durchschnittlichen Zinssatz für langfristige Fremdgelder heranreichen. Da Fremdkapitalzinsen und Rendite von individuellen Faktoren abhängig sind und sich im Zeitablauf ändern, würde ein atmender Rechnungszinsfuß die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten besser abbilden.
- Zentrale und unabdingbare Voraussetzung für eine Typisierung ist laut bisheriger Rechtsprechung des BVerfG deren Realitätsgerechtigkeit. Aufgrund der Zinsentwicklung seit der Finanzkrise im Jahr 2008 entspricht der Rechnungszinsfuß von 6% schon seit Jahren nicht mehr der Realität. Aus Sicht des FG Köln muss der Gesetzgeber hier einen realitätsgerechteren Zinssatz verwenden.
- Der Gesetzgeber hat die vorgenommene Typisierung seit über 33 Jahren nicht mehr überprüft. Aus Sicht des FG Köln wäre dagegen eine Überprüfungspflicht alle fünf Jahre angemessen. Hier ist der Gesetzgeber seiner Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht nicht nachgekommen.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 1/2018
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